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Premieren



TIM CARLSON Allwissen Deutschsprachige Erstaufführung
Aus dem Englischen von BARBARA CHRIST

In der Welt der Zukunft ist der permanente Krieg gegen Terroristen Wirklichkeit geworden. Der Einflußbereich der »Regierung« ist in militärische Planquadrate unterteilt und unter totale Überwachung gestellt. Journalisten heißen »Information Specialists« und haben den Auftrag, Siegeshymnen auf die Regierungstruppen zu fabrizieren. Der »Information Specialist« Warren soll aus dem Filmmaterial seines Kollegen, der als Frontberichterstatter gefallen ist, eine regierungstreue Dokumentation zusammenstellen. Dabei stößt er auf vielsagende Widersprüche im Material. Er beginnt, die Filme nach einer versteckten Botschaft zu durchforsten.
Warrens Freundin Anna ist schwer traumatisiert aus dem Krieg zurückgekehrt. Sie lebt von Beruhigungsmitteln und Alkohol. An ihrer Geschichte – sie soll als Soldatin einer Spezialeinheit unter »friendly fire« geraten sein – stimmt ebenfalls etwas nicht.
Beim Versuch, die Puzzlestücke zusammenzufügen, gerät Warren ins Visier einer Untersuchungs-kommission der Medienzentrale; er wird vorgeladen. Da er spürt, daß er in Gefahr schwebt, beschließt er die Flucht – direkt zu den Aufständischen. Ein Unterfangen, das ihn das Leben kosten kann … Nach seinem Verschwinden stellt ein Geheimdienstagent eine Verräterakte über ihn zusammen. Das Material dazu liefern Film- und Tonaufnahmen aus seinem Privatleben, Aufzeichnungen der allgegenwärtigen Überwachungstechnik. Dann werden offizielle Bilder verbreitet, die den auf der Flucht erschossenen Warren zeigen. Doch welchen Bildern ist noch zu trauen?

Der kanadische Autor Tim Carlson ist Mitbegründer und Co-Direktor der »Western Theatre Conspiracy«, eines freien Theaters in Vancouver/Kanada. Er studierte Kreatives Schreiben und Journalistik und war als Schriftsteller, Journalist und Zeitungsredakteur tätig.
»Allwissen« entstand Anfang 2001 in Reaktion auf den beängstigenden Boom der Überwachungs-industrie. Tim Carlson ließ sich dabei von George Orwells »1984« und Aldous Huxleys »Brave New World« inspirieren. Mit dem 11. September 2001 wurde seine Zukunftsvision erschreckend gegenwärtig und das Stück plötzlich zu einem alarmierend realistischen Szenario. In der Regie von Richard Wolfe, dem Direktor des »Western Theatre Conspiracy«, erlebte es 2004 seine Uraufführung und gewann einen »Jessie Richardson Theatre Award«. Weitere Stücke: »Night Desk«, »The Chronicle Has Hart«, »The Reinvention of Minister Thorne«, »Diplomacy«.

Regie Isabel Osthues Bühne und Kostüme Sigi Colpe Videoproduktion Lilli Thalgott Premiere 14. 10. 2007 Spielort schauspielhaus/studio



ANTONT SCHECHOW Die Möwe

Jeden Sommer kehrt die Schauspielerin Arkadina auf das Familiengut in der Provinz zurück und erholt sich in dem kleinen Paradies am See von den Strapazen des Bühnenlebens. Diesmal bringt sie Trigorin mit, einen Schriftsteller von Renommee aus Moskau. Arkadinas Sohn Kostja, kürzlich aus nicht öffentlich diskutierten Gründen der Universität verwiesen, buhlt um die Aufmerksamkeit seiner Mutter mit eigener Kunst: er hat ein Theaterstück »neuer Form« geschrieben, das er mit seiner Freundin Nina heimlich geprobt hat und nun am See unterm nächtlichen Mond triumphal zum Erfolg führen möchte. Der Plan mißlingt; Kostja verfehlt die Zustimmung seiner Mutter. Und er verliert Nina – wie seine Mutter wendet auch sie sich Trigorin zu, dem berühmten Nebenbuhler. Ein Versuch, sich umzubringen, beschert ihm für einen Moment die ersehnte Zuneigung der Mutter. Aber die Arkadina ist schon wieder in Abreise begriffen. Sie und Trigorin kehren als Paar zurück nach Moskau. Nina wird ebenfalls gehen. Sie wird das Gefängnis der Provinz und ihres Elternhauses verlassen, Trigorin in die große Stadt folgen und Schauspielerin werden – leben! Kostja bleibt auf dem Gut zurück.
Zwei Jahre später ist aus Kostja ein einsamer junger Schriftsteller geworden. Als seine Mutter mit Trigorin für den Sommer aus der Stadt anreist, findet sich auch Nina zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch wieder ein. Die alten Rituale des Sommers scheinen sich zu wiederholen, aber für die Jungen, für Nina und Kostja, hat das Leben seine Verheißung verloren …

Der Arzt und Dramatiker Tschechow untersucht in der Zeit des großen politischen und sozialen Umbruchs der russischen Jahrhundertwende und der 1905er Revolution in seinen Stücken mit der Liebe zugleich und dem analytischen Blick des Mediziners die komplizierten inneren Bewegungen und Lebensversuche der Menschen einer Wendezeit. Alle seine Figuren kämpfen mit der Sehnsucht, ihrer Zeit gerecht zu werden, Großes und Gutes zu schaffen, sich als wahrhaftige Menschen zu erweisen, Erfolg zu haben, gesehen und geliebt zu werden wie sie sind.
»Die Möwe« bedeutete den künstlerischen Durchbruch Tschechows; sie gehört zu den meistgespielten Werken Tschechows, der dieses wie alle seine Stücke als Komödie verstand.

Regie Tobias Wellemeyer Bühne Iris Kraft Kostüme Ute Noack Premiere 19. 10. 2007 Spielort schauspielhaus



THOMAS MANN/JOHN von DÜFFEL Buddenbrooks

Die Buddenbrooks sind eine angesehene Kaufmannsfamilie. Sie gehören dem patrizischen Bürgertum des 19. Jahrhunderts in der Hansestadt Lübeck an. Der wirtschaftliche Erfolg, die gesellschaftliche Anerkennung wie auch der familiäre Zusammenhalt bauen auf Ordnung, Disziplin und Leistung auf.
Nach dem Tod des alten Konsuls übernimmt der älteste Sohn Thomas die Geschäfte und die Verantwortung für die Familientradition. Auch wenn es ihm nach außen hin gelingt, das Ansehen der Familie zu einem Höhepunkt zu führen, ist der innere Auflösungsprozess nicht mehr aufzuhalten. Zunehmend zerbricht er an der selbstauferlegten Härte und an der Kluft zwischen dem eigenen Anspruch und dem sich real abzeichnenden Niedergang. Immer heftiger werden auch die Auseinandersetzungen mit dem Bruder Christian, der mit seinem Hang zur Hypochondrie und zum Umgang mit unbürgerlichen Theaterkreisen, vor allem aber wegen seiner sorglosen Geschäftsuntüchtigkeit zunehmend als Belastung empfunden wird. Auch der Schwester Tony gelingt es nicht, den Ansprüchen der Familientradition gerecht zu werden. Schon früh wird sie von den Eltern in eine unglückliche Ehe gedrängt, die nach kurzer Zeit scheitert – ebenso wie ihre zweite Ehe. Letztlich kann auch Hanno, der ersehnte Erbe und Stammhalter, die familiären Erwartungen nicht erfüllen.
»Buddenbrooks« erzählt vom Niedergang einer Familie und eines Unternehmens im 19. Jahr-hundert, dessen traditionellen Werte weder den Gesetzen eines verschärften Kapitalismus noch den Individualisierungsbestrebungen der Familienmitglieder standhalten können. Mit dem Blick auf das menschliche und wirtschaftliche Scheitern der Buddenbrooks an den Anforderungen einer neuen Zeit eröffnet sich zugleich ein faszinierender Blick auf unsere Gegenwart.

1929 wurde Thomas Mann für seine weltweit verlegten Romane und Erzählungen, besonders aber für »Buddenbrooks«, mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Der großangelegte Gesellschaftsroman, 1901 erschienen, gehört bis heute zu seinen meistgelesenen Werken. Der Autor und Dramaturg John von Düffel hat ein Bühnenstück erarbeitet, das im Dezember 2005 am Hamburger Thalia Theater in der Regie von Stephan Kimmig mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. Düffel hat den knapp 800 Seiten umfassenden Jahrhundertroman stark verdichtet und erzählt in der Konzentration auf die drei Geschwister zugleich die Geschichte der gesamten Familie.

Regie Wulf Twiehaus Bühne Katrin Hieronimus Kostüme Katharina Beth Premiere 1. 12. 2007 Spielort schauspielhaus



Weihnachtsmärchen 2007 schauspiel magdeburg
BRÜDER GRIMM/WOLF DIETER PAHLKE Der gestiefelte Kater

Bevor der alte Müller stirbt, verteilt er unter seinen drei Söhnen das Erbe – aber für Jochen, den Jüngsten, bleibt am Ende nur der Kater übrig. Zuerst möchte Jochen den Kater am liebsten in seinen Kochtopf stecken, doch da beginnt der zu sprechen wie ein Mensch! Und erweist sich schnell als ein pfiffiger Freund, der genau weiß, daß man auf das Glück nicht warten darf – man muß es sich verschaffen!
Der freche Kater immer voran, geht es also zu zweit fröhlich in die weite Welt hinaus. Schöne Stulpenstiefel werden besorgt, ein schicker Gürtel für den Katerbauch, und schon wird es Zeit für echte Abenteuer. Die lassen nicht auf sich warten, denn es gibt eine selbstbewußte Prinzessin und dazu ein ganzes Königreich zu gewinnen! Zwar ist Jochen fast zu rechtschaffen für die Eroberung des Glücks, aber der Kater sorgt schon dafür, daß sein Herr immerzu in neue Abenteuer gerät und dabei stets die Oberhand behält. Und so wird aus dem armen Jochen bald ein (beinahe) richtiger Graf!
Mit von der Partie sind auch ein kugelrunder König ganz in Weiß, der Jäger und der Koch, die Leute im Wald und auf den Feldern – und der große Zauberer in seinem Schloß. Der ist böse, aber auch dumm, und so wagt es der Kater, ihn zum Duell herauszufordern. Wer gewinnt, kann das Zaubererschloß behalten und bekommt die Prinzessin … Doch wie der Kampf auch ausgeht – das Märchen kann nur gut enden, wenn Jochen und vor allem die Prinzessin das auch wollen!

Für Kinder ab 6 Jahren.

Regie Andreas Rehschuh Bühne Nicolaus-Johannes Heyse Kostüme Grit Walther Musik Gundolf Nandico Premiere 2. 12. 2007 Spielort opernhaus



GOTTHOLD EPHRAIM LESSING Emilia Galotti

»Weg ist meine Ruhe, und alles!« … Der Prinz Hettore Gonzaga ist außer sich. Er hat beim Kirchgang die Bürgerstochter Emilia Galotti gesehen – und ist ihr unrettbar verfallen. Ihre Jugend, ihre Unschuld, ihre Unnahbarkeit haben seine Lust entflammt. Er muss rasch zugreifen, denn noch heute soll Emilia ihrem Verlobten, dem Grafen Appiani, einem Ehrenmann ohne Fehl und Tadel, angetraut werden. Marinelli, Kammerherr und Vertrauter des Prinzen, setzt einen grausamen Plan ins Werk: Der Bräutigam wird aus dem Weg geräumt – wobei er zu Tode kommt; Emilia wird aus der Hochzeitskutsche entführt und zusammen mit ihrer Mutter Claudia auf dem fürstlichen Lustschloss Dosalo scheinbar in Sicherheit gebracht. Dort kann der Prinz ihr als Freund und Retter begegnen, ihr Herz gewinnen – und sie zu seiner Hure machen. Doch die Geliebte des Prinzen, Orsina, durchschaut die Intrige, die sie den privilegierten Platz an des Prinzen Seite kosten soll. Emilias Vater erfährt durch sie, welches Schicksal seiner Tochter zugedacht ist. Als er Emilia unter vier Augen sprechen darf, ist sie bereits entschlossen, sich selbst zu töten …

Was ist das Geheimnis Emilias, die ihr Leben unvermeidlich in die Katastrophe rasen lässt? 1772, in vorrevolutionärer Zeit und in Auflehnung gegen die Willkür des Absolutismus, schrieb Lessing sein Trauerspiel. Immer wieder schuf Lessing rätselhafte Frauengestalten. Sie sind reine Mädchenseelen oder messerscharfe Realistinnen. In der Welt geschieht ihnen Gewalt; von Männern werden sie vergöttert und vernutzt – wenn es ihnen nicht gelingt, sich in ihre innere Wahrheit oder in den Tod zu entziehen.

Regie und Bühne Andreas Kriegenburg Kostüme N. N. Premiere 7. 12. 2007 Spielort schauspielhaus



YASMINA REZA Der Gott des Gemetzels

Zwei elfjährige Jungen haben sich geprügelt. Dabei hat der eine dem anderen zwei Schneide-zähne ausgeschlagen. Véronique und Michel Houillé, die Eltern des geschädigten Jungen, haben Annette und Alain Reille, das andere Elternpaar, zu sich nach Hause eingeladen, um den Vorfall sachlich zu besprechen und zu einer pädagogisch korrekten Lösung zu kommen.
Zweifellos sind beide Parteien bereit, das Problem mit Toleranz und nach den Regeln eines zivilisierten Umgangs zu lösen. Doch so einfach scheint die Sache dann doch nicht zu sein. Als herauskommt, dass Michel den Hamster seiner Tochter einfach auf der Straße ausgesetzt hat und Alain der Rechtsberater einer Firma ist, die gesundheitsschädigende Medikamente vertreibt, mischen sich erste Gereiztheiten in die Konversation. Ist das nicht alles viel schlimmer als die Prügelei der Söhne?
Zunehmend entwickelt das Gespräch eine eigene Dynamik. Vorurteile, subtile Sticheleien und persönliche Beleidigungen mischen sich in den toleranten Ton. Als dann auch noch private Eheprobleme bloßgelegt werden, beginnt die zivilisierte Fassade zu bröckeln; das Reden wird zum verbalen Schlagabtausch, jede Wendung wird zum taktischen Manöver, die Koalitionen wechseln in atemberaubendem Tempo. Mit den ersten Handgreiflichkeiten droht die Situation endgültig zu entgleisen – der »Gott des Gemetzels« tritt zwischen die Kontrahenten …

Seit ihrem Welterfolg mit dem Stück »Kunst« zählt die französische Dramatikerin Yasmina Reza zu den weltweit meistgespielten Dramatikerinnen der Gegenwart. Mit ihrem neuesten Stück, »Der Gott des Gemetzels«, das im Dezember 2006 seine deutschsprachige Erstaufführung in Zürich erlebte, hat sie eine emotionsgeladene Komödie auf höchstem Niveau vorgelegt. Mit psychologischem Scharfblick durchschaut sie die brüchige Fassade unserer zivilisierten Wohlanständigkeit, die uns von der Barbarei zu trennen scheint – dank Rezas brillanter Rhetorik und der Verbindung von feiner Ironie und mitunter bösem Humor bleiben auch erschreckende Wiedererkennungseffekte überaus unterhaltsam.

Regie Matthias Gehrt Bühne Gabriele Trinczek Kostüme Ute Noack Premiere 25. 01. 2008 Spielort schauspielhaus/studio



WILLIAM SHAKESPEARE Titus Andronicus

Hoch angesehen kehrt der römische Feldherr Titus nach langem und aufopferungsvollem Kampf gegen die Goten zurück nach Rom. Als Kriegsgefangene begleiten ihn Tamora, die schöne Gotenkönigin, und deren Söhne.
Die Barbaren sind besiegt, die zivilisierte Welt scheint gerettet. Um nach altem Brauch die Geister der gefallenen Römer zu versöhnen, ordnet Titus an, den erstgeborenen Sohn der Tamora zu zerhacken und den Göttern zu opfern. Tamora fleht um Gnade, aber Titus besteht auf Einhaltung des heiligen Rechts. Außerdem bestimmt er den Prinzen Saturninus zum neuen Kaiser über Rom. Als dieser die gefangene Gotenfürstin erblickt, ist er augenblicklich von deren Schönheit gebannt und erwählt sie sich zur Kaiserin.
Durch die unvermutete Wendung der Dinge in eine machtvolle Position gebracht, nutzen Tamora und ihre verbliebenen Söhne ihre neue Stellung zu einem furchtbaren Rachefeldzug gegen Titus und dessen ganze Familie: Seine einzige Tochter Lavinia wird brutal vergewaltigt und verstümmelt. Zwei seiner Söhne fallen unterm Richtbeil. Weil Titus irrtümlich meinte, dies durch ein Opfer verhindern zu können, hat er sich selbst eine Hand abgehackt. Sein letzter Sohn wird in die Verbannung geschickt. So ungerecht, so unmäßig erscheint Titus sein Leid, dass ihn fast der Wahnsinn packt. Dann aber schwört er Rache – und es beginnt ein beispielloses Gemetzel …

Das Stück aus Shakespeares Frühwerk bewegt sich an den Grenzen der Zivilisation. Es erzählt von den finsteren, wilden und grausamen Abgründen des Menschen, von seiner wölfischen Natur, die sich unter der Oberfläche von Sitte und Anstand verbirgt. Lebenshunger und Rachedurst zeigen hier solch monströse Ausmaße, der schaurige Automatismus von Gewalt und Vergeltung entwickelt eine solch beängstigende Dynamik, dass das Wesen des Menschen auf fast schon groteske Weise entstellt erscheint. »Hätte ›Titus Andronicus‹ einen sechsten Akt, dann würde Shakespeare sich an den Zuschauern der ersten Reihe vergreifen und sie unter grausamsten Qualen sterben lassen.« (Jan Kott).

Regie Sascha Hawemann Bühne und Kostüme Wolf Gutjahr Premiere 26. 01. 2008 Spielort schauspielhaus



theater für junge zuschauer
REX DEVERELL Voll abgedreht! Deutschsprachige Erstaufführung
Aus dem Englischen von UTE SCHARFENBERG

Ein Klassenzimmer ist verwüstet worden. Jemand hat seine ganze Wut losgelassen, auf den Raum, die Stühle und das Mobiliar. Vier Freunde – zwei Mädchen, zwei Jungen – werden vom Schulleiter verantwortlich gemacht. Sie sollen sich beraten, einig werden und anschließend den Schuldigen ausliefern. Doch der Schuldige ist nicht unter ihnen.
Stattdessen versuchen die vier, den am meisten Verdächtigen unter ihren Mitschülern zu ermitteln. Allen ist schnell klar: Babs muß es gewesen sein, die Neue in der Klasse, die keiner mag, weil sie merkwürdig ist. Aber wie soll man auch die Schulleitung vom Offensichtlichen überzeugen? Man braucht Material, Argumente, klare Beweise, nach denen nur Babs die Schuldige sein kann.
Die vier beginnen, Situationen zu sammeln, in denen Babs auffällig reagiert hat, »merkwürdig« eben; in denen sie selber Babs verletzt, verraten, provoziert oder benutzt haben. Dabei wird ihnen immer deutlicher bewußt, daß jeder von ihnen auf seine Art mitgeholfen hat, Babs zur Außenseiterin zu machen … Wer ist nun schuld? Und was ist zu tun?

Das Stück des kanadischen Autors Rex Deverell erzählt von Mobbing, von Außenseitertum und Anderssein und von individuellem Verhalten in »ganz normalen« Ausgrenzungssituationen. Szenen aus dem Schulalltag werden humorvoll und intelligent erzählt und offenbaren dabei emotionale Momente von großer Kraft. Lachen und Nachdenken – das Stück hält beides bereit. Es ermöglicht eine gemeinsame Auseinandersetzung über die Dynamik von Ausgrenzungsverhalten und ermutigt junge Leute dazu, diese Dynamik zu durchbrechen.
»Voll abgedreht!« ist eine weitere Entdeckung für unsere erfolgreiche kanadische Erstaufführungsreihe. Ebenfalls neu in dieser Spielzeit: »Allwissen« des Kanadiers Tim Carlson.

Für Schüler ab 12 Jahren.

Regie N. N. Bühne N. N. Kostüme N. N. Premiere 29. 02. 2008 Spielort schauspielhaus/studio



RAINER WERNER FASSBINDER Angst essen Seele auf
Nach dem gleichnamigen Film

»Das Glück ist nicht immer lustig.«

Die 60 jährige Witwe Emmi flüchtet sich vor dem Regen in eine vorwiegend von marokkanischen Gastarbeitern besuchte Kneipe. Dort lernt sie den bedeutend jüngeren Automechaniker Salem kennen, der sie zu einem Tanz auffordert. Aus der zufälligen Begegnung entwickelt sich bald tiefe Zuneigung, und Salem zieht in Emmis Wohnung. Ihre Umwelt reagiert auf das Paar mit Unverständnis und kalter Ablehnung. Als Emmi bald darauf Salem auch noch heiratet, wenden sich selbst ihre drei Kinder von ihr ab. Doch die Gehässigkeit von Familie und Bekanntenkreis schmiedet die beiden enger zusammen. Um den Anfeindungen zu entkommen, fahren sie gemeinsam in den Urlaub, und bei ihrer Rückkehr scheint sich tatsächlich alles zum Besseren gewandelt zu haben. Der Ladenbesitzer spricht wieder mit ihnen, und auch Emmis Arbeitskolleginnen schneiden sie nicht mehr. Aber selbst jetzt scheint es wenig Hoffnung für das Paar zu geben, denn allzu deutlich treten nun die inneren Probleme der Beziehung in den Vordergrund. Emmi führt Salem ihren Arbeitskolleginnen vor und nutzt ihn als Arbeitskraft im Haus, woraufhin er Zuflucht bei einer früheren Geliebten sucht. Als Emmi sich mit ihm versöhnen möchte, bricht Salem plötzlich zusammen. Der Arzt diagnostiziert ein aufgebrochenes Magengeschwür. Emmi bleibt an Salems Seite im Krankenhaus und hält seine Hand …

35 Jahre nach der Premiere eines der wichtigsten deutschen Filme der Nachkriegszeit untersucht der Regisseur Lukas Langhoff die Sprengkraft einer scheinbar unmöglichen Liebe zweier Außenseiter in einer Gesellschaft, die von Einsamkeit und Isolation geprägt ist. Wie reagiert die heutige Gesellschaft auf die Konfrontation mit dem »Anderen«, dem »Fremden«? Inwiefern benutzen wir immer wieder Mechanismen der Ausgrenzung, wenn die eigene Toleranz auf die Probe gestellt wird?
In seinen Filmen und Theaterstücken beschäftigte sich Rainer Werner Fassbinder mit der Frage, ob der Einzelne die Kraft hat, die Welt zu verändern, und wie die Liebe dabei ein Objekt des Handelns werden kann, gerade vor dem Hintergrund der wechselseitigen Abhängigkeits- und Machtverhältnisse. Mit »Angst essen Seele auf« gelingt ihm sowohl das vielschichtige Porträt einer ungleichen Liebe als auch in der Thematisierung gesellschaftlicher Tabus eine brillante Analyse von Mechanismen sozialer Unterdrückung und von Machtstrukturen. Das Stück entlässt uns mit der versöhnlich stimmenden Einsicht in eine »Liebe, die eigentlich unmöglich, aber eben doch eine Möglichkeit ist«.

Regie Lukas Langhoff Bühne und Kostüme Alexander Wolf Premiere 14. 03. 2008 Spielort schauspielhaus/studio



JOHANN WOLFGANG GOETHE Iphigenie auf Tauris

Johann Wolfgang Goethe geht in seinem Versdrama auf eine Geschichte aus dem antiken Mythos der fluchbeladenen Atriden zurück: Als die griechische Militärflotte unter ihrem Führer Agamemnon in den vieljährigen Krieg um Troja ausfahren will, schenkt ihm die Göttin Diana Segelwind nur um den Preis, daß Agamemnon ihr seine Tochter Iphigenie opfert. Gegen den erbitterten Widerstand der Mutter Klytaimnestra tut Agamemnon das Verlangte. Als er zehn Jahre später siegreich von Troja zurückkehrt, rächt Klytaimnestra den Tod der Tochter und erschlägt Agamemnon. Zurück bleiben zwei jüngere Kinder; Elektra und Orest. Heimlich läßt Elektra den Jungen Orest außer Landes bringen, damit er heranwächst, um die Mutter Klytaimnestra einst zu töten und damit den ermordeten Vater Agamemnon zu rächen.
Doch die Göttin Diana hat Iphigenie seinerzeit lebend vom Opferalter weggeführt und auf die ferne Insel Tauris versetzt. Dort wohnen Barbaren – Nichtgriechen mit einem eigenen Götterkult. Unter ihrem König Thoas halten die Taurer am uralten Menschenopfer fest: jeder Fremde, der den Fuß an die Küste der Insel setzt, wird ergriffen und im Tempel der Diana getötet. Mit jedem Opfer erneuert sich das gesellschaftliche Band der Taurer. In beinahe zwanzig Jahren hat nun die Griechin Iphigenie als Oberste Priesterin der Diana zäh und geduldig gegen diesen blutigen Brauch angekämpft und das Menschenopfer abgeschafft. Stattdessen haben die Taurer unter ihrer Anleitung begonnen, zu den Göttern ohne Opfer, aus der Demut und Reinheit ihrer Herzen, zu reden. König Thoas, berührt von ihrer klugen Menschlichkeit, hat Iphigenie zögernd in sein Herz geschlossen. Als er ihr jedoch die Heirat anträgt, schreckt Iphigenie zurück; sie möchte sich nicht für ewig an die Insel binden, denn noch immer, »das Land der Griechen mit der Seele suchend«, hofft sie auf eine Heimkehr nach Mykene. Thoas droht mit der Wiedereinführung der Opferungen. Da landet Iphigenies blutbefleckter Bruder Orest nach der Ermordung der Klytaimnestra auf der Flucht vor den furchtbaren Erinnyen auf der Insel. Iphigenies »Projekt Zivilisation« droht zu kippen …

Zwei Gemeinschaften, zwei Kulte, zwei Menschenbilder treffen in Goethes Drama aufeinander. Die vorzeitliche Religion des Blutopfers oder die moderne Gemeinschaft der kritisch Aufgeklärten – eine der Lebensformen soll sich gegen die andere behaupten. Doch wie »zivilisiert« ist dieses Griechenland, von tausend individuellen Interessen durchquert, von Bürgerkriegen zerrissen und von blutigen Familienfehden gezeichnet? Und wie »barbarisch« ist die Auffassung, die durch strikte Abschottung nach außen einen sicheren inneren Frieden gewinnt? Und was wird aus allen vernünftigen Erörterungen, wenn die rätselhafteste, am wenigsten rationale Macht dazwischentritt: die Liebe?

Regie Annette Pullen Bühne und Kostüme Iris Kraft Premiere 15. 03. 2008 Spielort schauspielhaus



LARS von TRIER Breaking the Waves
Nach dem gleichnamigen Film

»Glaubst du, wir werden zu anderen Menschen, wenn wir am Abgrund stehen?«

Bess gilt in ihrer kleinen, streng religiösen Gemeinde an der schottischen Küste als Außenseiterin: stark im Glauben, aber schwach im Geist. Sie trifft Jan, der als Arbeiter auf einer Bohrinsel sein Geld verdient, doch ihre Heirat wird in der Gemeinde mit Argwohn verfolgt. In der Liebe zu Jan blüht Bess auf, sie erlebt ihre erste sexuelle Erfüllung, und es gelingt dem Paar, der Enge der fundamentalistischen Gemeinde und von Bess’ Familie zu entkommen. Ihr gemeinsames Glück währt jedoch nur kurze Zeit. Schon bald muss Jan wieder zur Arbeit auf die Bohrinsel, und Bess verzweifelt fast darüber. Sie betet inbrünstig um seine Rückkehr. Gott erfüllt ihren Wunsch, jedoch auf die schrecklichste Weise: Jan verletzt sich bei einem Arbeitsunfall auf der Bohrinsel schwer am Kopf und wird querschnittsgelähmt mit wenig Aussicht auf Heilung zurücktransportiert. Bess gibt sich selbst die Schuld an dem Unfall und beschließt, jedes Opfer für seine Heilung zu bringen. Und Gott erlegt ihr schwere Prüfungen auf: Jan wünscht sich von ihr, dass sie sich andere Liebhaber sucht und ihm anschließend von ihren Begegnungen berichtet. Als sich Jans Zustand immer mehr verschlechtert, ist Bess bereit, auch ihr Leben für Jans Leben zu opfern. Selbst für ihre Schwester Dodo und den befreundeten Arzt Dr. Richardson ist an Bess kein Herankommen mehr. Die Geschichte scheint unweigerlich auf ein tragisches Ende zuzusteuern, als es zu einer überraschenden Wendung kommt …

Lars von Trier hat mit der Passionsgeschichte eines jungen Mädchens ein schonungsloses modernes Märchen über den Glauben und die Liebe geschrieben. Was passiert, wenn unsere vernunftregierte Welt auf einen leidenschaftlichen, uneingeschränkten Glauben an das Gute trifft – wer wird stärker sein? »Breaking the Waves« scheint unsere Moral und unsere Vernunftanschauungen auf den Kopf zu stellen. Und wenn am Schluss der Himmel zur großen Gegenwart in dieser Amour fou wird, dann scheint das Wunder zu siegen. »Breaking the Waves« ist die mitreißende Erzählung einer Liebe, die diese Welt überwunden hat.

Regie Jan Jochymski Bühne und Kostüme Thilo Reuther Musik Bert Röhner Premiere
17. 05. 2008 Spielort schauspielhaus



ÖDÖN von HORVATH Kasimir und Karoline

Ausgerechnet auf dem Oktoberfest, ausgerechnet da, wo das Leben bewegt und bunt und laut und so herrlich ist, brechen Kasimir und Karoline einander das Herz. Aus einem glücklichen Paar werden zwei Königskinder. Denn während Karoline fröhlich sein will, fühlt Kasimir sich traurig und einsam; gerade heute hat er seine Arbeit verloren. Verbittert stößt er seine Karoline von sich, und verbittert wendet die sich anderen Männern zu. Kasimir tröstet sich derweil mit Freunden, bis ihm das letzte Geld ausgeht. Noch einige Male begegnen sich die zwei sehnsuchtsverloren im Getümmel, doch ihre Momente enden ein um das andere Mal in Missverständnissen und Verletzungen. Für die echten Gefühle finden sie nur die falschen Worte. So treiben sie voneinander weg, in die Arme anderer Menschen …

Ödön von Horvath schrieb die melancholisch-poetische Ballade von den Liebenden Kasimir und Karoline in der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Als »Chronist seiner Zeit« führt er uns in eine Welt, in der die Sehnsucht nach einem besseren Leben all seine Figuren in ausweglose Situationen treibt. Selbst der Liebe wird misstraut, selbst dem Nächsten wird der Kampf angesagt. Alltagsprofanität und Sentiment decken die Gefühle zu – doch unter allem Ballast schimmern die verletzbaren, lebenden Seelen hervor.

Regie Julia Hölscher Bühne Christina Mrosek Kostüme Ulli Smid Premiere 24. 05. 2008 Spielort schauspielhaus



GEORGE F. WALKER Das Ende der Zivilisation

Schon zwei Jahre lang ist Henry arbeitslos. Mittlerweile sind die Ersparnisse aufgebraucht, und wenn die nächste Hypothekenrate nicht gezahlt wird, droht der Verlust des Hauses. Henry steht unter enormem Druck. Seine Verzweiflung über den Zerfall der gesellschaftlichen Spielregeln, nach denen er im Leben angetreten ist, ist längst in Wut und Verachtung umgeschlagen. Immer wieder gehen ihm persönliche Rachefantasien durch den Kopf. Eigentlich will er sich nicht mehr erniedrigen lassen und nicht mehr um Arbeit betteln. Aber aufgeben will er auch nicht. Und so ist er nun in Begleitung seiner Frau Lily in die Stadt gekommen; dort, wo es vermeintlich noch viel Arbeit gibt, will er nach einer Anstellung suchen. Henry und Lily haben sich in einem heruntergekommenen Motel einquartiert, einer Absteige für Loser, Kleinkriminelle und schnellen Sex. Kurz nach ihrer Ankunft beginnt in der Stadt eine Anschlagserie: drei Arbeitslose werden ermordet, und auf einige große Firmen wird eine Reihe von Bombenattentaten verübt. Die Polizei beginnt zu ermitteln. Die Spur führt das Cop-Duo Max und Donny in das Motel zu Henry und seiner Frau, die unter Anleitung der Zimmernachbarin, einer Gelegenheitsprostituierten, gerade eigene Wege zu gehen beginnt …

Seit 2003 erobern die Stücke von George F. Walker, geboren 1947, die deutschen Bühnen; das theater magdeburg eröffnete diesen Siegeszug mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Walkers damals neuestem Stück, »Heaven«. »Das Ende der Zivilisation« gehört zu dem sechsteiligen Stückzyklus »Suburban Motel«, der 1997/1998 am renommierten Factory Theatre in Toronto uraufgeführt wurde. Walker ist Meister in der Vermischung von Comedy und Realismus, Krimi und Melodram. Seine Stücke sind temporeich und scharfzüngig wie Tarantino-Filme – und mit bitterbösem Humor treffen sie die Schmerzpunkte unserer Gegenwart.

Regie Markus Dietz Bühne und Kostüme Ines Nadler Premiere 13. 06. 2008 Spielort schauspielhaus/studio