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Winterreise - op. 89, D. 911 (1827)

Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dies bei anderen der Fall war. Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen.

Franz Schubert

1. Gute Nacht - 2. Die Wetterfahne - 3. Gefror'ne Tränen - 4. Erstarrung - 5. Der Lindenbaum -
6. Wasserflut - 7. Auf dem Flusse  - 8. Rückblick - 9. Irrlicht - 10. Rast - 11. Frühlingstraum - 12. Einsamkeit -
13. Die Post - 14. Der greise Kopf - 15. Die Krähe - 16. Letzte Hoffnung  - 17. Im Dorfe - 18. Der stürmische Morgen -
19. Täuschung - 20. Der Wegweiser - 21. Das Wirtshaus - 22. Mut - 23. Die Nebensonnen - 24. Der Leiermann

Alle Texte komplett


Gute Nacht

Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh' ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumenstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh', -
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.

Die Wetterfahne

Der Wind spielt mit der Wetterfahne
Auf meines schönen Liebchens Haus.
Da dacht' ich schon in meinem Wahne,
Sie pfiff den armen Flüchtling aus.

Gefror'ne Tränen

Gefrorne Tropfen fallen
Von meinen Wangen ab:
Ob es mir denn entgangen,
Daß ich geweinet hab' ?

Erstarrung

Ich such' im Schnee vergebens
Nach ihrer Tritte Spur,
Wo sie an meinem Arme
Durchstrich die grüne Flur.

Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum;
Ich träumt' in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.

Wasserflut

Manche Trän' aus meinen Augen
Ist gefallen in den Schnee;
Seine kalten Flocken saugen
Durstig ein das heiße Weh.

Auf dem Fluße

Der du so lustig rauschtest,
Du heller, wilder Fluß,
Wie still bist du geworden,
Gibst keinen Scheidegruß.

Rückblick

Es brennt mir unter beiden Sohlen,
Tret' ich auch schon auf Eis und Schnee,
Ich möcht' nicht wieder Atem holen,
Bis ich nicht mehr die Türme seh'.

Irrlicht

In die tiefsten Felsengründe
Lockte mich ein Irrlicht hin;
Wie ich einen Ausgang finde,
Liegt nicht schwer mir in dem Sinn.

Rast

Nun merk' ich erst wie müd' ich bin,
Da ich zur Ruh' mich lege;
Das Wandern hielt mich munter hin
Auf unwirtbarem Wege.


Winterreise von Schubert im Theater inszeniert

Am Brunnen vor dem Tore......

Ingeburg Friedrich

 

Eine Folge „schauerlicher Lieder“ nannte Schubert selbst seinen letzten Liederzyklus nach Texten des Dessauer Dichters Wilhelm Müller. Dies entsprach seinem Seelenzustand am Ende seines Lebens, das mit 32 Jahren vollendet war. In seinen letzten Jahren, 1827 und  1828  entstand  die korrigierte Reinschrift des Zyklus von zweimal zwölf Liedern, und  kaum waren Teile davon zu Papier gebracht, schickte Schubert einen seiner Freunde damit zum Verleger mit der dringenden Aufforderung, dafür Bares für Arznei und Suppe zu bringen. Einsamkeit und Todessehnsucht, dazwischen noch verirrte Hoffnung,  als Trugbild erkannt, sprechen aus den Versen Müllers, die Schubert auf einzigartig geniale Weise vertonte.

Die Winterreise gehört zum Erschütternsten, das je in Musik ausgedrückt wurde. Für einen Sänger ist sie ein Markstein , ein einmaliger Höhepunkt der künstlerischen Gestaltung. Den Stimmungsgehalt des Werkes optisch zu verstärken, das Werk zu inszenieren, gab es in jüngerer Zeit mehrfache Versuche.

 Am Magdeburger Theater war eine Version der jungen Regisseurin Sabine Bergk am Wochenende auf der Kleinen Bühne zu erleben. Sie hatte die Besonderheit, dass hier die Winterreise von einer Frau gesungen wurde, was noch immer zu den Seltenheiten gehört. Undine Dreißig mit ihrer bewegenden Sangeskunst stand im Mittelpunkt des Abends. Nuanciert,  alle Mittel ihres großen Stimmumfangs einsetzend und mit ihrem wunderschönen Timbre überaus einnehmend, brachte sie alle Stimmungen der so überaus schwierig dazustellenden Lieder zum Ausdruck. Dabei fand sie noch die Kraft, die Beweglichkeit, die die Inszenierung von ihr forderte, unverkrampft und voller Eindringlichkeit auszuspielen.
Das Publikum schien den Atem anzuhalten, als sie, durch die angedeuteten Gräberreihen  eines Friedhofs irrend, verzweifelnd fragte „Sind denn in diesem Hause
die Kammern all` besetzt?“...

Undine Dreißig, die auf Magdeburgs Opernbühne in vielen Rollen zu überzeugen wusste, hat mit dieser Winterreise zu einem bemerkenswerten künstlerischen Höhepunkt gefunden, hat ein musikalisches Erlebnis gestaltet, das für alle, die es aufnehmen konnten, kaum vergesslich sein wird. Dazu trug  die Pianistin Anna Grinberg  Wesentliches bei. Ihr souveränes Spiel, das von unanfechtbarem musikalischen Geschmack, von technischer Brillanz ganz zu schweigen, geprägt wurde, trug die Aufführung.

Um diesen, von Schuberts Meisterwerk festgelegten musikalischen Kern hatte die Inszenierung einen in allen Phasen beeindruckenden Mantel gelegt. Unentrinnbar in der Einsamkeit  des geschlossenen Raumes gefangen, zeigten sich die Darsteller, die Sängerin und ihr abgespaltenes, von dem Tänzer Alfredo Mena dargestelltes zweites Ich. Mit sparsamer Gestik unterstrich er den Stimmungsgehalt aller Lieder und brachte die hoffnungsvolle Unruhe, der die Vergeblichkeit von vornherein innewohnt, in dem Lied „Die Post“ , ebenso zum Ausdruck, wie das geisternde Irrlicht und  die Müdigkeit  des unsteten Wanderers. Die kluge und eindringliche Inszenierung, mit der sich die junge Sabine Bergk  vorstellte, kam mit sparsamen , dem Werk angemessenen Mitteln aus. Sie wirkte nicht als Fremdkörper, sondern beschränkte sich auf das Unterstreichen dessen , was im Text steht und in der Musik ausgedrückt wurde. Dabei hatte die Regisseurin interessante Ideen der Vermischung der Geschlechter. Der Tänzer trug zeitweilig das Ballkleid der ungetreuen Geliebten, die Sängerin den roten Frack des Liebhabers, Erinnerung an bessere, hoffnungsvollere Tage. Im letzten Lied, „Der Leiermann“ waren Vereinzelung und Hoffnungslosigkeit auf die Spitze getrieben.  Weit getrennt auf zwei Stühlen stehen  beide in Dunkel gehüllte Gestalten : „ Keiner mag ihn sehen, keiner sieht ihn an..... und er lässt es gehen, alles , wie es will“ , heißt es im Text. Erschütternd und eindringlich. Schade, dass ein vorzeitiger Klatscher die Stimmung störte.

 


Musikalische Leitung: Anna Grinberg
Regie: Sabine Bergk
Dramaturgie: Ulrike Schröder
Bühne: Christian Baumgärtel
Kostüme: Stephan Stanisic
Premiere 24. 04. 2004 - Spielort opernhaus/ podiumbühne


 

Frühlingstraum

Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai;
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.
Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai;
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.

Einsamkeit

Wie eine trübe Wolke
Durch heit're Lüfte geht,
Wenn in der Tanne Wipfel
Ein mattes Lüftchen weht:

Die Post

Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, daß es so hoch aufspringt,
Mein Herz ?
xxx

Der greise Kopf

Der Reif hatt' einen weißen Schein
Mir übers Haar gestreuet;
Da glaubt' ich schon ein Greis zu sein
Und hab' mich sehr gefreuet.

Die Krähe

Eine Krähe war mit mir
Aus der Stadt gezogen,
Ist bis heute für und für
Um mein Haupt geflogen.

Letzte Hoffnung

Hie und da ist an den Bäumen
Manches bunte Blatt zu seh'n,
Und ich bleibe vor den Bäumen
Oftmals in Gedanken steh'n.

Im Dorfe

Es bellen die Hunde, es rasseln die Ketten;
Es schlafen die Menschen in ihren Betten,
Träumen sich manches, was sie nicht haben,
Tun sich im Guten und Argen erlaben;

Der stürmische Morgen

Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid !
Die Wolkenfetzen flattern
Umher im matten Streit.

Täuschung

Ein Licht tanzt freundlich vor mir her,
Ich folg' ihm nach die Kreuz und Quer;
Ich folg' ihm gern und seh's ihm an,
Daß es verlockt den Wandersmann.

Der Wegweiser

Was vermeid' ich denn die Wege,
Wo die ander'n Wand'rer geh'n,
Suche mir versteckte Stege,
Durch verschneite Felsenhöh'n ?

Das Wirtshaus

Auf einen Totenacker
Hat mich mein Weg gebracht;
Allhier will ich einkehren,
Hab ich bei mir gedacht.

Mut

Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
Schüttl' ich ihn herunter.
Wenn mein Herz im Busen spricht,
Sing' ich hell und munter.

Die Nebensonnen

Drei Sonnen sah ich am Himmel steh'n,
Hab' lang und fest sie angeseh'n;
Und sie auch standen da so stier,
Als wollten sie nicht weg von mir.

 

Besonderer Dank an dieser Stelle noch einmal dem Fotografen dieser treffenden Szenenfotos - Frank Möller aus Magdeburg

Der Leiermann

Drüben hinterm Dorfe
Steht ein Leiermann
Und mit starren Fingern
Dreht er was er kann.

Barfuß auf dem Eise
Wankt er hin und her
Und sein kleiner Teller
Bleibt ihm immer leer.

Keiner mag ihn hören,
Keiner sieht ihn an,
Und die Hunde knurren
Um den alten Mann.

Und er läßt es gehen,
Alles wie es will,
Dreht, und seine Leier
Steht ihm nimmer still.

Wunderlicher Alter !
Soll ich mit dir geh'n ?
Willst zu meinen Liedern
Deine Leier dreh'n ?

Gemeinsam gestaltet von www.fotofrank-md.de (Fotos) und dem Kulturportal kukma.net (Webdesign) - Magdeburg 2004