2009 - ... in der Mitte Europas

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Die Straße der Romanik in der Mitte Europas

Tafelmusik von Georg Philipp Telemann

Das Rossini-Quartett und seine Gäste begrüßten Sie mit einem Auszug aus der berühmten Tafelmusik von Georg Philipp Telemann. Der in Magdeburg geborene Barockmeister komponierte diese Sammlung von Quartetten, Solo-Sonaten und Konzerten 1733, und sie verbreiteten sich sehr bald unter den Musikliebhabern ganz Europas. Neben Bachs Brandenburgischen Konzerten, zählt die Telemannsche Tafelmusik zu den bedeutendsten Instrumentalkompositionen des Mitteldeutschen Barock.
Telemanns Musik wurde von den Zeitgenossen vor allem deswegen besonders geschätzt, weil er ein Meister des „Vermischten Stils“ war. Er nahm Besonderheiten des französischen, des italienischen Stils auf, ließ überdies Einflüsse der polnischen Volksmusik, die er ab 1704 im polnischen Sorau (heute Zary) kennnen und schätzen lernte, in sein Werk fließen und formte daraus eine ganz eigene Tonsprache, die an den Höfen, aber auch bei den Bürgern in ganz Europa großen Anklang fand.
Telemann, das steht zweifelsfrei fest, war ein europäischer Geist.
Seine Musik ist daher ein sehr passender Klang, wenn wir auf unserer Entdeckungsreise entlang der Straße der Romanik in der Mitte Europas unterwegs sind. In unserer Region haben sich romanische Bauwerke in einer Dichte und Schönheit erhalten wie kaum anderswo in Deutschland und in ganz Europa.
Das ist natürlich nicht zufällig. In der Zeit der romanischen Baukunst war das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt Grenzland, es war Vorposten der christlichen Osterweiterung im Mittelalter.
Der Begriff Romanik wurde gegen 1820 in Frankreich geprägt, um damit die Architektur mit den charakteristischen Rundbögen, den massigen, festungsartigen Mauern und kleinen Öffnungen zu bezeichnen. Mit dem französischen Wort „romanesque“ gleich „auf Art der Römer“ sollte darauf verwiesen werden, dass diese Baukunst, die sich etwa ab dem Jahr 800 in Frankreich und Italien, etwas später, etwa ab der Jahrtausendwende in Deutschland durchsetzte und erst nach ca. 5 Jahrhunderten allmählich von der Gotik abgelöst wurde, als Wiederkehr der römisch-antiken Bautradition begriffen wurde. Allerdings hatten die Baumeister der romanischen Kirchen und Klöster kaum antike Vorbilder, zumindest im Norden nicht. Sie glaubten nur, wie die Römer zu bauen.
Aus der Zeit nach dem Zerfall des weströmischen Reiches sind fast keinerlei Baudenkmäler erhalten. Das hat einerseits den Grund, dass in den Jahrhunderten der Völkerwanderung und der beginnenden Christianisierung die Baukunst sehr vernachlässigt wurde, da es kaum feste Reichsterritorien gab und nur die Landbevölkerung sesshaft den wechselnden Herrschaften unterworfen war. Es gab keine Veranlassung für feste Bauten, und es gab auch keine zahlungskräftigen Auftraggeber. Die meisten Gebäude, die einfachen Unterkünfte sowieso, aber auch die ersten Kirchen und die meisten Landsitze und Pfalzen waren nur aus Holz gebaut worden. Sie fielen fast alle in z. T. relativ kurzen Abständen den Flammen zum Opfer.
Dann aber erstarkte die christliche Kirche und das römische Papsttum, und jetzt sollten Kirchen zum Lobe Gottes und für nicht weniger als die Ewigkeit gebaut werden. Immerhin währt diese Ewigkeit nun bereits über 1000 Jahre.

Eine gute Chance in die Ewigkeit einzugehen hat auch unsere folgende Musik, mit der wir einen anderen großen Europäer der Musikgeschichte Sachsen-Anhalts ehren, Georg Friedrich Händel.
Undine Dreißig singt für sie die Händel-Arie „Haec est regina Virginum“

 

Kehren wir nun zu unseren Bauwerken an der Straße der Romanik zurück.
Von den Angelsachsen war die christliche Missionierung der Sachsenvölker ausgegangen, deren Siedlungsgebiete bis zu Elbe und Saale reichten. Mit dem Schwert war im 8. Jahrhundert das Karolingische Großreich entstanden, und die Vorposten der christianisierten Gebiete wurden in den folgenden Jahrhunderten eifrig befestigt mit Klöstern und Kirchen, die nicht selten wie richtige Festungen aussahen.
Nachdem im 9. Jahrhundert das Frankenreich Karl des Großen in einen westlichen und einen östlichen Teil zerfallen war, und von Magdeburg aus das Ottonenreich entstand, begann gerade hier ein wahrer Bauboom. Allein in der Altmark nördlich von Stendal wurden innerhalb nur eines Jahrhunderts von 1050 bis 1150 etwa 250 steinerne Dorfkirchen gebaut, von denen etwa 230 noch in ihrer fast ursprünglichen Gestalt erhalten sind.
Die Baukunst wurde im Mittelalter die Krone aller Künste.
Der Bau von Kirchen war innerhalb der Romanik-Epoche die künstlerische Hauptaufgabe (so wie bei den Griechen des Altertums der Bau von Tempeln), und die Kirche war auch der Hauptauftraggeber aller Künstler. Erstmals nach der Antike entstanden wieder monumentale Bauwerke. Da nur Gott und die Kirche wichtig waren, zumindest sollte es so erscheinen, wurden Künstler, auch Baumeister, nicht namentlich genannt. Die christlichen Auftraggeber holten Baumeister, die bereits über Erfahrungen verfügten, aus allen Regionen Europas zusammen.
Die katholische Kirche hatte im Mittelalter inzwischen eine einheitliche, zentrale Organisationsform entwickelt, die über regionale Grenzen hinaus reichte und dadurch wesentlich zur Entstehung eines einheitlichen romanischen Stils beitrug. Seine Blüte erlebte die romanische Baukunst etwa in der Zeit von 1050 bis 1150 und zwar eben im Deutschen Reich. Hier flossen die Elemente der frühen romanischen Bauten etwa aus Südfrankreich und Katalonien, aus dem Süden Italiens und Südosteuropa aber auch die von den Britischen Inseln zusammen.
Aus den regional verschiedenen Baustilen entstanden gerade im deutschen Reich und vor allem an dessen östlichen Vorposten Kirchen und Klöster, aber auch Burgen und Pfalzen, in jenem „vermischten Stil“, den man in späteren Epochen und bis heute als Inbegriff romanischer Bauweise ansieht. Bei genauerer Betrachtung finden sich überall Elemente, die aus ganz Europa und dem Orient übernommen wurden, so dass die heutige Straße der Romanik nicht nur territorial in der Mitte Europas steht.

Der Komponist des folgenden Flötenkonzertes, Johann Friedrich Fasch, war ein Komponist von europäischem Rang. Er wirkte zwar über vierzig Jahre an dem kleinen anhaltinischen Hof in Zerbst, stand aber in lebhaftem Austausch mit nahezu allen namhaften Musikerkollegen seiner Zeit. Er wurde von Bach sehr geschätzt und spielte seine Werke, wie auch die Telemanns, Vivaldis u.v.a. am Zerbster Hof. Von seinen zahlreichen Werken sind heute längst nicht alle wiedergefunden. Sie sind durch Europa gewandert. Das folgende Flötenkonzert z. B. wurde gerade erst wieder entdeckt und erklingt hier erstmalig wieder in Sachsen-Anhalt.

Johann Friedrich Fasch, Konzert für Flöte und Streicher

 

In Italien etwa gab es noch viele antike Bauwerke, von denen die mittelalterlichen Baumeister lernten. Von hierher kam z. B. die Bauform der Basilika und mit dieser der Säulenschmuck. Ein eindrucksvolles Beispiel einer hochromanischen Säulen-Basilika findet sich in der Stiftskirche St. Pankratius zu Hamersleben. Besonders schön, ja einmalig in Europa, sind die kunstvollen Kapitelle. Neben den Rundbögen ist das Würfelkapitell auffälligstes Merkmal der romanischen Architektur. Geometrisch entsteht es durch die Durchdringung einer Kugelform von unten und einer Würfelform von oben, womit die runde Säulenform in die viereckige Deckenplatte übersetzt wird. An vier Seiten entstehen halbkreisförmige Flächen, die verschiedene Schmuckelemente zeigen. In Hamersleben kann man sehr viele verschieden geschmückte Kapitelle betrachten, und es lohnt sich, sie sich alle genauer anzusehen. Keines gleicht dem anderen. Zuerst entstanden die Ostteile der Basilika mit noch einfachem Schmuck, dann aber finden sich kunstvolle Ranken, Schilde, Medaillons. Viele von ihnen sind mit Tieren und Fabelwesen geschmückt.
Die Tiere und Fabelwesen entspringen dabei nicht der bloßen Laune ihrer Gestalter. Das mittelalterliche Weltbild war mit ihnen in vielerlei Weise bevölkert. Ihre mittelalterliche Symbolbedeutung stammt gleichermaßen aus der griechisch-römischen Antike wie aus der germanischen Mythologie. An den romanischen Kapitellen finden sich z. B. Eulen, welche nicht mehr Weisheit wie in der Antike, sondern nun das lichtscheue Gesindel symbolisieren, oder Pferde, wie z. B. im Kloster Drübeck, die Stolz und Hoffahrt darstellen. Dann wundert es auch nicht, dass Drachen, Einhörner und andere Monstren zu entdecken sind, die verdeutlichen sollen, dass alle irdische Schlechtigkeit überwunden wird, wenn sich der Bau emporschwingt zum gewölbten Himmel.
Die Gewölbe, welche sich über den typischen Rundbögen aufschwingen, sind, wie etwa auch die Schachbrettmuster als Schmuckelemente, aus der orientalischen Baukunst in die Romanik übernommen. Die frühesten gewölbten Kirchen stehen heute in Katalonien, wo sie von orientalischen Baumeistern geschaffen wurden.
An den Außenwänden der Kirchen finden sich oft Ungeheuer, welche Dämonen abwehren sollen. Allerdings kam der äußere Schmuck der Gotteshäuser erst mit dem Übergang in die Gotik zur Blüte. Und erst in der Spätromanik entstand das Chorgestühl, meist Klappsitze, an dessen Unterseiten sich die phantastischsten Bestarien versammeln, wie etwa im Halberstädter und im Magdeburger Dom.
Bereits aus der Hochromanik stammt der Taufstein im Dom zu Halberstadt, der von vier Löwen getragen wird. Der Löwe ist das Christussymbol und steht für Stärke und Tapferkeit.
Das Adlerkapitell, welches auf unseren Faltblättern und Plakaten zu sehen ist, findet sich in der Quedlinburger Stiftskirche. Der Adler ist im Mittelalter Symbol geistiger Höhe und Majestät, das Symbol der Auferstehung und der Kraft der Heiligen Schrift und damit Emblem des Evangelisten Johannes. Nicht zuletzt ist er Kaisersymbol. 1345 wurde der Doppeladler in das deutsche Kaiserwappen übernommen und ist uns bis heute im Bundesadler erhalten geblieben.

Hören Sie nun Henning Ahlers Mit einem Oboenkonzert von Georg Philipp Telemann. Es steht in g-Moll, einer Tonart, die in der Barockzeit als majestätisch und großartig galt, aber hören Sie selbst.
Telemann-Oboenkonz.

 

Von England, Irland und Schottland kam die Wucht des schützenden Mauerwerks in die romanische Baukunst im deutschen Sachsenreich. Dort schützte es gegen die angreifenden Wikinger, hier übernommen als christlicher Trutz gegen die noch heidnischen Slawen. Auch dies ist an der Straße der Romanik vielfach zu besichtigen, etwa in Havelberg, dessen Dom mit seinem mächtigen Westwerk wie ein Kastell ins Land ragt.
Dass dies sehr handfeste Gründe hatte, zeigt gerade Havelberg sehr deutlich. Im Oktober des Jahres 948 hatte Otto I. das Bistum Havelberg gleichzeitig mit dem von Brandenburg gegründet und in Havelberg dem ersten Bischof Dudo den Burgberg überschrieben. Doch bereits 35 Jahre später schienen die Neugründungen vergeblich gewesen zu sein. In seiner berühmten Chronik schreibt Thietmar von Merseburg:
„Völker, die nach Annahme des Christentums unseren Königen und Kaisern zu Tribut und Diensten verpflichtet waren, griffen bedrückt durch die Überheblichkeit Herzog Dietrichs, in einmütigem Entschluss zu den Waffen. Schon vorher wurde es meinem Vater, Graf Siegfried, offenbart: Er sah nämlich im Traume den Himmel dicht mit Wolken bezogen und hörte auf seine staunende Frage, was das zu bedeuten habe, eine Stimme sagen: „Jetzt soll sich die Weißsagung erfüllen: Gott lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ – Die Schandtaten begannen am 29. Juni (983) mit der Ermordung der Besatzung von Havelberg und der Zerstörung des dortigen Bischofsitzes. Drei Tage später überfiel beim Läuten der Prim ein Haufen slawischer Empörer das Bistum Brandenburg: sein dritter Bischof Folkmar hatte zuvor fliehen können. Die dortigen Priester wurden gefangen. Dodilo, der zweite Bischof des Ortes, der von den Seinen erdrosselt nun schon drei Jahre im Grabe lag, aus seiner Gruft gerissen; seine Leiche und sein Bischofsornat waren noch unversehrt; die habgierigen Hunde plünderten sie aus und warfen sie dann achtlos zurück. Alle Kostbarkeiten der Kirche wurden geraubt und das Blut Vieler elendiglich vergossen. Dann verwüsteten die Slawen das Kloster des hl. Laurentius in der Burg Calbe und setzten den Unsrigen wie flüchtigen Hirschen nach, denn auf Grund unserer Missetaten hatten wir Angst, sie aber guten Mut.“
Um 1150 erst wurde das Bistum Havelberg wieder errichtet, nun uneinnehmbar, wie es scheint.

Über England kam auch die Reliefkunst in die deutsche Romanik. An Friesen, Kapitellen und im Tympanon, dem Halbkreis im Rundbogen über den Türöffnungen, wurden biblische Geschichten dargestellt, Bilderbücher für die Gläubigen, die meist nicht lesen konnten. Ein sehr interessantes Beispiel findet sich an der Südseite der Quedlinburger Wipertikirche, an einem Portal, das von der ehemaligen Klosterkirche St. Anna auf dem Quedlinburger Münzenberg stammt.
Auch eine andere künstlerische Entwicklung nahm von den Britischen Inseln ihren Lauf durch das ganze christliche Abendland. Johannes Scotus brachte im 9. Jahrhundert besondere Weisheiten in den Freien Künsten, den artes liberales, auf der Flucht vor den Wikingern auf den Kontinent ins Karolingische Reich.
Die freien Künste waren alle des freien Mannes würdigen nichttheologischen Wissenschaften, zu denen als Teilgebiet der mathematischen Künste auch die Musiktheorie gehörte. Johannes Scotus führte den zweistimmigen Gesang ein.

Musik aus dieser Zeit ist uns nicht überliefert, aber die Lieder des John Dowland aus dem 16./17. Jahrhundert geben uns eine sehr schöne Vorstellung von Alter Englischer Musik.
Hören Sie Undine Dreißig und Wolfram Wessel an der Gitarre.

Zwei Dowland-Lieder

 

Mathematische Proportionen und Zahlen galten – wie in anderen Religionen so auch im christlichen Glauben – als Grundlagen kosmischer Ordnung und Harmonie. Unter Berufung auf das Bibelwort "Doch Du hast alles nach Maß und Zahl und Gewicht geordnet" integrierte das Christentum die pythagoreische Proportionenlehre in die christliche Kosmologie. Generell spielte die Mystik der Zahlen im spekulativen Denken des Mittelalters eine große Rolle, so in der Musik, in Alchemie und Medizin, aber auch und natürlich in der Baukunst.
Man darf aber nicht nur an die Berechnungen der Statiker denken. Alles Maß und Zahl hatte immer auch symbolische Bedeutung und keine der Größen und Größenverhältnisse an den Bauwerken blieb dem Zufall überlassen.
Am südlichen Stufenportal der Klosterkirche in Arendsee lässt sich die mittelalterliche Zahlensymbolik auf vielfältige Weise erkennen.
In dem Portal taucht immer wieder die Zahl 4 auf. Die Seiten bis zum „himmlischen“ Bogen bestehen aus vier mal vier Backsteinschichten. Die verschiedenen Bögen sind aus 4 mal 5 gleich 20, 4 mal 6 gleich 24 und 4 mal 7 gleich 28 Steinen gemauert, die vierte Säulenreihe ist besonders geschmückt und schließlich führen vier Stufen hinein.
Die 4 ist in der mittelalterlichen Zahlensymbolik die Zahl des Irdischen und Menschlichen, vier Himmelsrichtungen hat die Welt, vier Zeiten haben Jahr und Tag, und die Proportion des Menschen beschreibt mit geöffneten Armen ein Quadrat. Andererseits ist die Vier aber auch ein Gegensatz zu der vollkommenen Gotteszahl Drei. Bereits Aristoteles sagte „Drei ist soviel wie alles“.
Alle geraden Zahlen galten als unvollkommene Zahlen, da sie teilbar sind, und sie symbolisierten das weibliche Element im Gegensatz zu den männlichen ungeraden Zahlen.
Die Klosterkirche in Arendsee ist der Heiligen Jungfrau Maria geweiht und es wurde um 1183 für Bedediktinerinnen gebaut.
Die Vier gehört aber auch deshalb speziell zum Portal, weil sie auf Häbräisch als DALETH geschrieben wird, das auch soviel wie „geöffnetes Tor“ bedeutet.
"Wahrlich ich sage euch, ich bin die Tür zu den Schafen. [ ...] Wenn jemand durch mich eingeht, wird er gerettet werden“, heißt es bei Johannes. Demzufolge muss das Portal den Zugang zum Heiligtum im Gotteshaus öffnen.
Das Halbrund des Portalbogens symbolisiert den Himmel, der sich über die Erde wölbt. Diesem geistlichen Inhalt eine angemessene Architekturform zu verleihen, war den Baumeistern romanischer Kirchen ein unverzichtbares Anliegen. In der norddeutschen Backsteinarchitektur entwickelte sich anstelle eines reichen, aus dem Stein gearbeiteten Figurenschmucks, den wir von Kathedralen aus gebrochenem Stein kennen, eine eigene Formsprache, die sich geometrischer und arithmetischer Symmetrien bedient.

Musik: Lieder zur Oboe

 

Es gibt an den romanischen Bauwerken kaum ein architektonisches Detail, das nicht solcherart Symbolik beinhaltet. So finden sich auch in den romanischen Taufsteinen auffällig viele Proportionen, die auf das „menschliche“ Quadrat hinweisen. Die Altäre aber wie auch die Fenster, die dem Blick von innen, dem Gotteshaus nach außen in die Welt dienen, sind sehr häufig dreigeteilt.
Wenn die Vier die – unvollkommene - Symbolzahl der irdischen Dinge ist, so wird sie von der folgenden „Fünf“ vervollkommnet. Die mittelalterlichen Mystiker suchten beständig nach der „Quintessenz“, dem Element nämlich, das aus den vier damals bekannten, aus der Antike überlieferten Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde etwas Vollkommenes macht. Die Suche nach der Quintessenz treibt bis heute alle Künstler an, natürlich auch die Musiker, und diese fanden sie auch in ihren Werken.

Bis in die Barockzeit scheinen die Menschen die mittelalterliche Zahlensymbolik noch verstanden zu haben. In vielen der barocken Kompositionen, vor allem in der Kirchenmusik, lässt sich die Zahlensymbolik vielfach nachweisen, in Taktzahlen und Taktarten, in Intervallen und auch im Platz der Tonarten auf dem Quintenzirkel.
So ist es keinesfalls zufällig, dass die großen Jubelchöre zum Lobe Gottes meist im „Göttlichen“ Dreiertakt stehen wie etwa das bekannte „Jauchzet, Frohlocket“ des Weihnachtsoratoriums (3/8), das Bitten und Beten aber meist im menschlichen Vierertakt. Zahlen und Intervalle hatten symbolische Bedeutung, Oktavsprünge z. B. verwiesen auf die allumfassende Macht Gottes, abwärts führende Quarten symbolisieren die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Bach war ein besonderer Meister dieser barocken Rhetorik. Auch wenn diese Symbole nicht mehr allgemeinverständlich sind, ist es die Schönheit der Musik doch bis heute geblieben.

Hören sie nun Marcel Körner mit der Sonate für Violoncello von Johann Sebastian Bach.
Musik: Cello-Sonate von Johann Sebastian Bach

 

Die meisten der Bauwerke an der Straße der Romanik sind frühere Klöster. Sie waren im Mittelalter nicht nur geistige Zentren, sondern ihnen oblagen auch alle sozialen Aufgaben wie Sozialfürsorge und Krankenpflege, vor allem aber Bildung und Wissenschaft, sowie Pflege der Künste.
Angehörige der christl. Mönchs- und Nonnenorden lebten nach Regeln, die vom Ordensgründer aufgestellt und von der römischen Kurie bestätigt (approbiert) worden waren. Diese Regeln basierten auf den monastischen Kardinaltugenden von Armut, Keuschheit und Gehorsam (den "drei evangelischen Räten"). Grundlegend für das abendländische Klosterwesen war die Regel des Benedikt von Nursia. Sie entstand in der Nähe von Rom um 530 und verpflichtet zu Ortsbeständigkeit und der Betrachtung der Ordensgemeinschaft als Familie, anstelle vagabundiererischen Scheinmönchtums. Gehorsam und Sittsamkeit, sowie das berühmte ORA ET LABORA (Bete und Arbeite!) gehören zu den Regeln. Ein noch heute lebendiges Benediktinerkloster an der Straße der Romanik ist das auf der Huysburg.
Seine romanische Basilika entstand zwischen 1048 und 1121. Auch das Kloster Michaelstein ist eine Gründung von Benediktinerinnen, bevor es Zisterzienserinnen übernahmen.
Auf die Augustinusregel beriefen sich u.a. die Ordensgründer der Dominikaner und Augustiner-Eremiten und -Chorherren, sowie die Prämonstratenser. Es ist die älteste und einflussreichste Mönchsregel des Mittelalters. Sie betraf die Verpflichtung zu gemeinschaftlichem Leben im Koinobion (Zusammenleben ohne privaten Besitz), zu Armut, Keuschheit, Bruderliebe, Gehorsam, Gebet, Schriftlesung und Arbeit.
Augustiner-Chorherren gründeten u.a. St. Peter bei Halle, wo heute die evangelischen Christusbrüder leben.
Eine besondere Rolle spielen an der Straße der Romanik Klöster des Prämonstratenserordens. Norbert von Xanten gründete den Orden 1120 im französischen Prémontré. Er vertrat eine radikale Gegenposition zu den inzwischen mächtigen, reichen und im Überfluss lebenden Klerikern. 1125 wurde er gegen anfänglich erheblichen Widerstand zum Erzbischof zu Magdeburg geweiht. Der Legende nach zog er in ärmlicher Kleidung und barfuß in Magdeburg ein und wurde vom Türhüter des Erzbischöflichen Palastes zuerst abgewiesen. Aber sicher ist das nicht, denn selbst in den kirchlichen Annalen kursieren zwei ziemlich gegensätzliche Varianten seines Lebenslaufes. In Vita A beschreibt der unbekannte Chronist, er sei vom Volke bejubelt worden als Rebell gegen die verschwenderischen Kirchenfürsten. In Vita B aber steht, dass er ob seiner Strenge und Unbarmherzigkeit von den Magdeburgern gefürchtet wurde, diese schließlich gegen ihn rebellierten und er fliehen musste. Sicher aber war er ein eifriger Bauherr, der dem Orden bedeutende Klöster bauen ließ.
In Magdeburg übernahm er das Kloster Unser Lieben Frauen. Er ließ es baulich vollenden und machte es zum Mutterkloster des ordens. Auch das ostelbische Leitzkau und das Kloster in Jerichow sind Gründungen der Prämonstratenser. Die Bauwerke zeichnen sich durch besonders gelungenen Proportionen und große Klarheit aus und sind für die Romanische Baukunst beispielgebend.
Norbert von Magdeburg, wie er nun genannt wurde, ist 1528 heilig gesprochen worden, und seine Gebeine wurden bald darauf in das Prager Kloster Strahov verbracht – gegen den Widerstand der stadt Magdeburg.
Im Kloster Strahov werden die Gebeine des Heiligen bis heute als Reliquien verehrt. Berühm ist Prager Prämonstratenserkloster jedoch vielmehr wegen seiner prachtvollen Bibliothek. In ihr finden sich u.a. auch Schätze, die aus Magdeburg stammen.

Kurze Musik

Als der romanische Kaiserdom Ottos in Magdeburg im Jahr 1207 bis auf die Grundmauern niederbrannte, waren unzählige romanische Bauwerke zwischen Elbe und Saale entstanden und die romanische Baukunst über ganz Europa verbreitet. Erzbischof Albrecht II., der vor genau 800 Jahren den Grundstein für einen neuen Dom legte, hatte in Paris und Bologna studiert und in Frankreich bereits die neue, die gotische Baukunst kennengelernt. Er bestand nun darauf, dass der neue Dom auch in dem neuen Baustil errichtet werden sollte. Neu sind die großen Spitzbogenfenster, neu das Licht im Kirchenraum, neu wird der reiche Figurenschmuck sein, und zum ersten Mal im Heiligen Römischen Reich wurde im gotischen Neubau eine Choranlage mit Umgang und Kapellenkranz verwirklicht. So entstand der Magdeburger Dom als erste gotische Kathedrale auf deutschem Boden und wieder rückte die europäische Kunst Magdeburg in die Mitte Europas. Hier beginnt der deutsche Aufbruch in die Gotik.
Lassen sie uns mit Musik eines anderen Europäers aus Sachsen-Anhalt abschließen. Der Hallenser Georg Friedrich Händel wird in Großbritannien ebenso als englischer Komponist verehrt, wie bei uns als deutscher. Händel ist ebenso europäisch, wie es die romanische Baukunst des Mittelalters gewesen ist.

Musik Händel: Flötenkonzert

 

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