2007 - Erfindungen und ...

Sie sind hier:  >>> Die Texte 

Romaniktour 2007 Erfindungen und Entdeckungen

Telemann: Ouvertürensuite „Perpetuum mobile“ (12’)

Mit dieser Musik, werte Gäste, wurde soeben bewiesen, dass es doch jene Erfindung gibt, um die sich Bastler und Tüftler, Techniker und Wissenschaftler, Konstrukteure und Erfinder seit vielen Jahrhunderten bereits vergeblich mühen. Was alle Daniel Düsentriebs dieser Welt nicht zu Stande bringen, ist der Musik ein besonderes Vergnügen. Das Perpetuum Mobile.
Und damit sind wir schon mitten drin in unserer fünften musikalisch-literarischen Entdeckungsreise entlang der Straße der Romanik, wozu Sie das Magdeburger Rossini-Quartett und seine Gäste herzlich begrüßen möchten.
Lassen Sie uns gemeinsam uns einige Entdeckungen und Erfindungen betrachten, die in Sachsen-Anhalt ihren Ursprung haben und einiger Jubilare des Jahres 2007 gedenken.
Das gerade verklungene und vor allem funktionierende Perpetuum Mobile hat der Magdeburger Barockkomponist Georg Philipp Telemann geschaffen, der natürlich nicht nur wegen dieses Meisterstückes ein großer Erfinder war.

Er hat unendlich viel wunderbare Musik erfunden, und er erfand auch die musikalische Fortsetzungsgeschichte. Ab November 1728 gab Telemann in Hamburg eine Zeitschrift heraus.
Deren vollständiger Titel lautete:

„Der getreue Music-Meister welcher so wol für Sänger als Instrumentalisten
allerhand Gattungen musicalischer Stücke so auf verschiedene Stimmen und fast alle gebräuchlichen Instrumente gerichtet sind, und moralische, Opern und andere Arien, desgleichen Trii, Duetti, Soli etc. Sonaten, Overturen, etc. wie auch Fugen, Contapuncte, Canones, etc. enthalten, mithin das mehreste, was nur in der Music vorkommen mag, nach Italiänischer, Französischer, Englischer, Polnischer etc. so ernsthaft- als lebhaft- und lustigen Arth, nach und nach alle 14. Tage in einer Lection vorzutragen gedenket durch Telemann“


Er ließ in jeder Einzelausgabe seine Kompositionen in der Mitte enden, so dass der geneigte Musikliebhaber immer die Fortsetzung in der nächsten Nummer erwerben musste, um ganze Musikstücke zu bekommen.
Er erfand hier bereits das Prinzip, das bis heute in jedem Fortsetzungsroman und in jeder Seifenoper angewandt wird.
Sie bekommen heute allerdings die ganze Musik, wie nun z. B. das bezaubernde Horn-Konzert Telemanns, das Ralf Götz/ Tilmann Schneider als Solist spielen wird.

Telemann: Hornkonzert TWV (3’)

Auf der Suche nach Erfindungen und Entdeckungen in Sachsen-Anhalt stößt man natürlich unweigerlich auf Otto von Guericke.
Vakuum samt Luftpumpe, Luftgewehr und Luftdruckwaage, Barometer und Elektrostatik, schließlich auch Kartografie und Diplomatie – er war ein vielseitiger und viel gerühmter Mann. 1666 wurde er in den Adelsstand erhoben.
Aber seine Zeitgenossen bewunderten ihn nicht nur. Sie verstanden ihn nicht, und die meisten seiner Erfindungen brauchten noch ein gutes Jahrhundert, um wenigstens wissenschaftliches Allgemeingut zu werden, von technischer Umsetzung ganz zu schweigen.
Seine Meriten als Bürgermeister verblassten, und 1678 wurde er von den Magdeburger Ratsherren kurzerhand in den Ruhestand geschickt bis er 1681 zu seinem Sohn nach Hamburg übersiedelte. Als Otto von Guericke 1686 starb, wurde er in der Magdeburger Johanniskirche beigesetzt. Bald nach dem Tode war er vergessen.
Als der Magdeburger Dichter Ludwig Schumann vor zwei Jahren zum 1200. Stadtjubiläum seinen Gedichtband „Das Magdeburger Brevier“ herausgab, hat er unter den historischen Gestalten der Stadt auch über „Guerickes Zorn“ gedichtet:

 

Guerickes Zorn (Lesefassung) (3’)

Ein „u“ bittet er sich aus,
schockschwere Not,
ein „u“ im Adelsnamen,
um dem bäurischen Gericke Widerpart halten zu können.
Es ist ihm nicht genug, wie die Leute zu heißen, unter denen er aufwuchs.
Er hat es zu etwas gebracht.
Ein G-u-ericke will er sein.
Der Stolz ist ein seltsames Tier,
das nur zu oft
seinen Besitzer waidwund reißt.

Der Geiz der Stadt bricht den Kadaver auf.
Schamlos wird der alte Mann
mit Gutachten Jenaer Professoren überzogen,
die in unheiliger Allianz –
und gut bezahlt –
dem Rat nahe legen, was der hören will:
Hinweg mit den Guerickeschen Privilegien!

Am besten doch sollte der Alte bald von dannen ziehen.
Lieber holt man sich die Pest in die Stadt,
als dass man ihn am Ende noch als Ehrenbürger auf dem Halse hätte.
Die Elbe hinauf ist viel Platz unter dem Michel.
Was heißt hier Bürgermeister?
Was reitet der alte Mann auf Verdiensten herum,
welche der Stadt nur Kosten schaffen.

Was ist mit Regensburg?
Wer hätte sich dort auf dem Reichstag
Den Halbkugelversuch ansehen wollen.
Der Kaiser könnte es,
hat der Guericke ihm doch die Instrumente abgelassen in Gänze,
dass sie in der kaiserlichen Geschenkekammer
nutzlos rosten.

Was soll das sein, der luftleere Raum,
den der Mann da gefunden haben will?
Was will man mit einer Leere?
Jedermann weiß, was die Leere im Kopfe bedeutet.
Was soll sie im Raume mehr bewirken?
Und ist nicht,
trotz all seiner vorgeblichen Bemühungen,
die Reichsfreiheit der stolzen Stadt auf der Strecke geblieben?
Was heißt, die Pläne zum Stadtaufbau
Seien vorbildlich und weit in die Zukunft reichend gewesen?
Sie sind nicht umgesetzt.
Aus guten Gründen.
Wer will die Gedanken
eines Mannes, der behauptet über luftleere Räume bescheid zu wissen,
als vernünftig bezeichnen?
Ist so eine Vernunft am Ende nicht auch
ein leeres Versprechen?

Was heißt hier,
er sei geschieden im Zorn von der Stadt,
für die er vordem gelebt und gedacht hat?
Zurückgeschickt wird er auf einem Elbkahn
vom Sohn aus der freien und Hansestadt Hamburg
als Leiche für Sankt Johann.
Was heißt hier,
man hätte ihn zur Ruhe gebettet,
den Mann des Fortschritts,
den Urvater der experimentellen Physik?
Im Leben voller Unrast,
wird er im Tode doch nicht einfach liegen wollen?
Zudem ist die Lebensleistung längst vergessen,
auch wenn in internem Kreise über die Möglichkeit,
ein Denkmal dem Wissenschaftler aufzustellen,
lustlos nachgedacht wird.
Zunächst wird die Gruft beräumt,
schließlich braucht man den Platz als Heizungskeller.
Nur Mut, der Fortschritt liegt auf der Schippe!

Bis heutigen Tages
Sind die Knochensucher unterwegs.
Die Wissenschaftsreliquie
hat sich aus dem Staub gemacht.
Sein Gelächter über die Stadt
hat der Grandseigneur des leeren Raumes
in sein leeres Grab gebettet.

Nichts ist zu finden,
was die Legenden
aufzuhalten vermöchte.

Versöhnung finden wir natürlich in der Musik. Auch Guericke muss Musik geliebt haben, jedenfalls soll er mit dem Musikdirektor der Stadt Malachias Siebenhaar befreundet gewesen sein.
Dieser hatte nach dem 30-Jährigen Krieg das Musikleben der Stadt wieder in Gang gebracht, Voraussetzung dafür, dass Telemann hier überhaupt am Ende des Jahrhunderts musikalisches Futter bekam.
Jetzt aber hören Sie Musik von Georg Friedrich Händel, dem Freund und Kollegen telemanns.
Undine Dreißig singt Ihnen dessen berühmtes Largo aus der Oper Xerxes und danach ein Lied, das ebenso zu den musikalischen Legenden gehört.

Händel: Largo

„Plaisier d’amour“ (6’)

„solange das Wasser ruhig dahinströmt, werde ich Dich lieben“, verspricht Sylvie ihrem Geliebten in dem altfranzösischen Lied „Plaisier d’amour“, und solange bleiben auch alle anderen Verrichtungen gut und können vergnüglich sein. In Paris ebenso wie in Magdeburg.
Das Vergnügen aber endet schnell, wenn es mit der Wasserruhe vorbei ist, wie wir es hier in Sachsen-Anhalt und entlang der Elbe im Sommer 2002 und dann schon wieder 2005 miterleben musstten. Dass Magdeburg immer wieder glimpflich davongekommen ist, verdanken seine Bewohner einer 130 Jahre alten Erfindung.
Bis ins 19. Jahrhundert wurden vor allem die Dörfer und Orte am östlichen Elbufer regelmäßig von verheerenden Hochwassern heimgesucht. In manchen Jahren waren mehr als 100 Deichbrüche zwischen Elbenau, Pretzin, Gübs und Biederitz zu verzeichnen. In trockenen Jahren wiederum verkümmerte die Elbe bei Schönebeck derart, dass kein Schiffsverkehr mehr möglich war. Nach einem katastrophalen Hochwasser 1865 gab die Preußische Regierung die Elbregulierung in Auftrag. Regierungs- und Baurat Wurfbein erarbeitete das Projekt mit dem durchgehenden 18 km langen Umflutkanal, der bei Hochwasser mehr als ein Drittel der Wassermassen an Schönebeck und Magdeburg vorbeilenkt.
1871 bis 1874 wurde das Pretziner Wehr erbaut – unter tatkräftiger Mithilfe italienischer Bauarbeiter und französischer Kriegsgefangenen von 1870/71. Es wurde seinerzeit als technisches Wunderwerk gepriesen, und auf der Pariser Weltausstellung von 1889 erhielt es eine Goldmedaille. Es diente vielen Hochwassergeplagten als Vorbild und wurde z. B. in Frankreich an der unteren Seine nachgebaut, aber so groß - mit 162 m Breite - - ist dieses Wehr bis heute einmalig in Europa.
Bisher wurde das Wehr insgesamt 61 Mal gezogen, davon 53mal im Winter und 8mal im Sommer. Die erste Öffnung erfolgte im Dezember 1875. Die bis dato letzte Öffnung im März 2006.
Das Wehr hat im Übrigen nicht nur die Aufgabe des Hochwasserschutzes. Es sorgt auch bei Niedrigwasser dafür, dass die Elbe, sowie die Nebenflüsse und –bächlein oberhalb Magdeburgs munter und helle fließen können.

Forelle (3’)

 

Die Experimentierkunst Otto von Guerickes kommt im 18. Jahrhundert in dessen Heimatstadt wieder zu Ehren. Im Pädagogium des Klosters Berge vor den Toren der Stadt unterrichtet von 1753 bis 1762 Georg Christoph Silberschlag. Einst selbst Schüler am Kloster Berge, begeisterte Ihn die für die damalige Zeit vorbildliche Ausstattung der Schule mit naturwissenschaftlichen Kabinetten und Sammlungen wie einem großen Experimentier- und Maschinensaal. Dort baut er, mit Hilfe ortsansässiger Handwerker, Guerickes Experimente nach und führt sie mit seinen Schülern vor. Er sorgte damit dafür, dass sich die Heimatstadt allmählich an ihren größten Erfinder erinnern wollte.
Silberschlag hat eines der ersten, speziell für den Schulgebrauch geschriebenen Lehrbücher der Naturwissenschaften geschrieben und die Bedeutung des praxisnahen Unterrichts entdeckt. In Anlehnung an Otto von Guerickes Hauptwerk „Experimenta Nova Magdeburgica“ nannte Silberschlag sein Lehrbuch „ Die Closter-Bergischen Versuche“.
Im Vorwort zu diesem Lehrbuch beschreibt er Probleme, die sich in den darauf folgenden Jahren 250 Jahren bis heute nicht sehr verändert haben.

„Kurz, es ist schwer, die Jugend in einer Fertigkeit im Logischen Denken anzuführen, wenn man sich nicht der mathematischen Wissenschaften dazu bedienet. Diese geben lauter nützliche und angenehme Sachen in die Hand, durch deren ersten Anblick sie (die Jugend) lüstern wird, selbige einsehen und verstehen zu können. Sie wird dadurch auf eine lockere Art in das systematische Denken, welches die mathematische Methode erfordert, hinein gezogen und gezwungen, der gewöhnlichen Flatterhaftigkeit, die alle Begriffe verwirrt und unbestimmt lässt, zu entsagen und sich um richtige und deutliche Begriffe zu bekümmern…
Daher ist gewiss, die Ermangelung des Unterrichts in mathematischen Wissenschaften lässet gleichsam einen leeren Raum zurück, dessen Viele bei zunehmenden Jahren mit Verdrusss gewahr werden, als denn wenn sie ihn nicht mehr ausfüllen können, und sie werden dadurch genötiget es zu beseufzen, dass sie um dieser Wohltat teilhaftig zu werden, in ihrer Jugend entweder keine Gelegenheit gehabt oder sich derselben zu bedienen nicht gebührend sind angehalten worden.“

Telemann: Finale des Hornkonzertes Oder ein anderes Musikstückchen (1’)

Berühmt aber wurde Georg Christoph Silberschlag durch eine noch andere Entdeckung. Am 6. Juni 1761 beobachtete er gemeinsam mit Wilhelm Bachmann am Schulobservatorium den Durchgang der Venus durch die Sonne.
Über ein anderes Problem stießen die Forscher auf eine Entdeckung. Man beobachtete eine diffuse helle Aura um die Venus. Aus diesem Phänomen schloss der Magdeburger Lehrer Georg Christoph Silberschlag als Erster, dass der Planet eine dichte Atmosphäre haben müsse. Seine These veröffentlichte er am 13. Juni 1761 in der Magdeburgischen Privilegierten Zeitung - und legte in diesem Artikel zugleich den Grundstein für Spekulationen über Venusianer, die in paradiesischer Landschaft leben sollten. Die Mär von einem bewohnten Nachbarplaneten hielt sich bis ins 20. Jahrhundert. Mittlerweile sind mehrere russische Sonden auf der Venus gelandet und haben sie als Ödnis enttarnt, mit Temperaturen um 470 Grad und einer dichten Hülle aus Kohlendioxid, mit dem neunzigfachen Druck der Erdatmosphäre. Die Sonden überstanden diese Bedingungen nur ein bis zwei Stunden lang.
Das aber konnte dem Zauber des Morgen- und Abendsternes natürlich keinen Abbruch tun. Er wurde und wird bis heute vieltausendfach besungen, z. B. von Hermann Hesse.

Rückgedenken
Am Hang die Heidekräuter blühn,
Der Ginster starrt in braunen Besen.
Wer weiß heut noch, wie flaumiggrün
Der Wald im Mai gewesen ?

Wer weiß heut noch, wie Amselsang
Und Kuckucksruf einmal geklungen?
Schon ist, was so bezaubernd klang,
Vergessen und versungen.

Im Wald das Sommerabendfest,
Der Vollmond überm Berge droben,
Wer schrieb sie auf, wer hielt sie fest?
Ist alles schon zerstoben.

Und bald wird auch von dir und mir
Kein Mensch mehr wissen und erzählen,
Es wohnen andre Leute hier,
Wir werden keinem fehlen.

Wir wollen auf den Abendstern
Und auf die ersten Nebel warten.
Wir blühen und verblühen gern
In Gottes großem Garten.

 

Jedes Gedicht ist natürlich auch eine Erfindung und möchte für den Leser oder Hörer eine Entdeckung sein.
In diesem Jahr wollen wir einem Dichter auch Sachsen-Anhalt die Referenz erweisen, der vor 400 Jahren in Gräfenhainichen geboren wurde, und der mit gutem Recht neben Martin Luther zum wirklichen Erfinder des evangelischen Kirchenliedes wurde, Paul Gerhard. Mehr als 130 Kirchenlieder hat er gedichtet, und viele von ihnen sind bis heute äußerst populär geblieben. 28 von ihnen befinden sich im neuesten evangelischen Gesangbuch. In einem seiner bekanntesten Lieder hat Paul Gerhard zwar nicht den Abendstern, so doch auch den Abendzauber besungen.

1. Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt und Felder,
es schläft die ganze Welt;
ihr aber, meine Sinnen,
auf, auf, ihr sollt beginnen,
was eurem Schöpfer wohlgefällt.
2. Wo bist du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
die Nacht, des Tages Feind.
Fahr hin; ein andre Sonne,
mein Jesus, meine Wonne,
gar hell in meinem Herzen scheint.
3. Der Tag ist nun vergangen,
die güldnen Sternlein prangen
am blauen Himmelssaal;
also werd ich auch stehen,
wenn mich wird heißen gehen
mein Gott aus diesem Jammertal.
4. Der Leib eilt nun zur Ruhe,
legt ab das Kleid und Schuhe,
das Bild der Sterblichkeit;
die zieh ich aus, dagegen
wird Christus mir anlegen
den Rock der Ehr und Herrlichkeit.
5. Das Haupt, die Füß und Hände
sind froh, daß nun zum Ende
die Arbeit kommen sei.
Herz, freu dich, du sollst werden
vom Elend dieser Erden
und von der Sünden Arbeit frei.
6. Nun geht, ihr matten Glieder,
geht hin und legt euch nieder,
der Betten ihr begehrt.
Es kommen Stund und Zeiten,
da man euch wird bereiten
zur Ruh ein Bettlein in der Erd.
7. Mein Augen stehn verdrossen,
im Nu sind sie geschlossen.
Wo bleibt dann Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
sei gut für allen Schaden,
du Aug und Wächter Israel'.
8. Breit aus die Flügel beide,
o Jesu, meine Freude,
und nimm dein Küchlein ein.
Will Satan mich verschlingen,
so laß die Englein singen:
»Dies Kind soll unverletzet sein.«
9. Auch euch, ihr meine Lieben,
soll heute nicht betrüben
kein Unfall noch Gefahr.
Gott laß euch selig schlafen,
stell euch die güldnen Waffen
ums Bett und seiner Engel Schar.

Jahr: 1647
Melodie: 15. Jahrhundert (Der Mond ist aufgegangen)(5’)
Die Melodie stammt von Heinrich Isaak, und viele Komponisten haben sie bearbeitet, so auch Johann Sebastian Bach.

Eine Entdeckung ganz besonderer Art machte bereits vor fast 800 Jahren Mechthild von Magdeburg. Über Gottesvisionen, die sie schon als 12-Jährige erstmals bewusst erlebte, fand sie zu einer mystischen Welt- und Gottessicht.
Im Zwiegespräch mit Gott und Seele hat die christliche Mystikerin, die viele Jahre bis zu ihrem Tode im Kloster Helfta zugebracht hat, wunderschöne Poesie und große Literatur geschaffen.

Im 3. Band ihres Werkes „Das fließende Licht der Gottheit“ spricht die „Seele“

Der Fisch kann im Wasser nicht ertrinken,
der Vogel in den Lüften nicht versinken,
das Gold ist im Feuer nie vergangen,
denn es wird dort Klarheit und leuchtenden Glanz
Denn die empfangen.

Gott hat allen Kreaturen das gegeben,
dass sie ihrer Natur gemäß leben.
Wie könnte ich denn meiner Natur widerstehn?
Ich muss von allen Dingen weg zu Gott hingehn,
der mein Vater ist von Natur,
mein Bruder nach seiner Menschheit,
mein Bräutigam von Minnen
und ich seine Braut ohne Beginnen.
"Glaubt ihr, dass ich ihn (Gott) nicht fühle?
Gott kann beides: kräftig brennen und tröstlich kühlen.
Aber betrübt euch nicht zu sehr!
Ihr könnt mich noch lehren: wenn ich wiederkehr,
dann bedarf ich eurer Weisung wohl,
denn die Welt ist vieler Schlingen voll.

(Ev. Mechthild – Seehafer: Die Wüste hat zwölf Ding) (3’)

 

Zu den großen Dichtern aus Sachsen-Anhalt zählt auch Novalis, 1772 auf Schloss Oberwiederstedt bei Weißenfels als Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg geboren.
Der dichterische Romantiker aber fühlte sich sehr wohl der Wissenschaft und der Aufklärung verbunden, hat Kant studiert und war mit Friedrich Schiller eng befreundet. An einer der damals auf dem Gebiet der Naturwissenschaften führenden Hochschule, der Bergakademie Freiberg, studierte er, nachdem er zuvor in Jena und Wittenberg Philosophie und Jura belegt hatte, 1787 Bergbauingenieurswesen und Landvermessung. Er wird Salinenassessor, wie sein Vater, in dessen Haus in Weißenfels sich das Cursächsische Salinenamt wie auch die Bäderverwaltung befand.
Das Auffinden und die Nutzbarmachung von Braunkohlelagerstätten gehörte zu den wichtigsten Aufgaben des Salinenassessors, der er sich mit großem Fleiß und Einsatz widmete.
Seine geologischen Entdeckungen führten schließlich zum systematischen industriellen Abbau der mitteldeutschen Braunkohle. Dass es uns heute noch seltsam anmutet, wie sich der Idealtypus des romantischen Dichters mit so profanen Dingen nicht nur gezwungenermaßen, sondern mit höchster Akribie und Initiative beschäftigte, ist eine Erbschaft des 19. Jahrhunderts. Da hatte man „solche scheußlichen Dinge“ aus dem poetischen Bild des früh verstorbenen Jünglings ausgesperrt. Es sei «entsetzlich», meinte Justinus Kerner, ein Zeitgenosse des Dichters, «sich den Novalis als Amtshauptmann oder als Salzbeisitzer vorzustellen».

Erst nach dem II. Weltkrieg fand man seine „Salinenschriften“ in der Universität Krakau, und erst langsam beginnt man, Novalis auch als Entdecker und Romantiker zu verstehen.

Manfred Koch schreibt in der „Neuen Züricher Zeitung“ im September 2006:
Wie gehen beide Persönlichkeiten zusammen?
Die einfachste Antwort ergibt sich, wenn man das märchenalte, in der Romantik omnipräsente Bergbaumotiv ernst nimmt: Überall bei Novalis geht es um einen Abstieg ins Innere. Den Exkursionen des Salineninspektors in die Erdentiefe entsprechen die Reflexionen, die der Philosoph über den dunklen Grund des Bewusstseins anstellt. Hardenberg war einer der frühesten Theoretiker des «Unbewussten», dessen seltsamen Status - wir sind mit ihm vertraut, ohne davon zu wissen - er sehr viel präziser beschrieb als die Seelenkundler des 19. und 20.Jahrhunderts. In den zahlreichen Höhlengängern und Bergmännern, die sein literarisches Werk bevölkern, fließt offenbar beides zusammen: Die Sachkenntnis des Montan-Ingenieurs liefert die Bilder für jene typisch romantische Suchbewegung hin zum Ursprung, zu den Ur-Gründen des Geistes und der Natur.

Im poetischen Universum des Novalis kommunizieren die Mineralien mit den Menschen mittels einer «Chiffrenschrift», bisweilen aber auch über Stimmen, die der Naturverehrer aus Bergmassiven, Grotten, Klüften vernimmt. Charakteristisch für diesen Austausch zwischen Mensch und anorganischer Natur ist eine Stelle im «Heinrich von Ofterdingen». Der Held verwechselt dort auf seiner Wanderschaft von ferne einen Felsblock mit einem Mönch. Als er seinen Irrtum bemerkt, geht er keineswegs achtlos weiter. Vielmehr befreundet er sich mit dem Stein noch inniger, als er es wohl mit einem lebendigen Geistlichen getan hätte: «Stillgerührt fasste er den Stein in seine Arme und drückte ihn lautweinend an seine Brust: Ach, dass doch jetzt deine Reden sich bewährten und die heilge Mutter ein Zeichen an mir täte.» Es ist die «heilge Mutter» - die Magna Mater Erde -, deren Ruf dieser Felsbrocken, gleich einem verwunschenen «Bruder», an den Menschensohn weitergibt.
Er ist der Entdecker der mitteldeutschen Braunkohlelagerstätten.
Man kann sich darüber streiten, welche seiner Beschäftigungen von nachhaltigerer Wirkung war bzw. noch ist.
Wir haben Ihnen allerdings keine Briketts, sondern ein Lied nach einer der Hymnen der Nacht von Franz Schubert mitgebracht. Undine Dreißig singt von Franz Schubert nach Novalis: „Hinüber walle ich“

Schubert: Novalis-Lied (3’)

Die romantische Dichtkunst begleitete das gesamte 19. Jahrhundert, das natürlich gleichzeitig das Jahrhundert der Erfindungen gewesen ist.
In der gleichen Zeit, in der Walzwerke und Schreitbagger erfunden und produziert wurden, in der Johann Gottlob Nathusius in Magdeburg, Althaldensleben und Hundisburg ein erstes großes Industrieimperium aufbaute und sehr erfolgreich betrieb und dabei als erster in Deutschland das Prinzip des Großkonzerns entdeckte, in der Zeit, in der sich die kleinen Dörfer rund um die Städte zu Industriellen Vororten mit Straßenschluchten voller Mietskasernen, zu Arbeiterschlafstädten sich entwickelten, pflegte die geistige Elite ihre romantische Sehnsucht nach dem Mittelalter.
Zu ihnen gehörte auch Otto Roquette. Er ließ sich benahe ausschließlich von Themen des Mittelalters inspirieren, war u. a. Lehrer in Dresden und Mitglied eines Kriegervereins in Berlin.
1866 verfasste er ein Libretto über die Legende von der Heilige Elisabeth für Friedrich Liszt. Der hatte das Thema gewählt, weil er sich als Ungar fühlte und doch Elisabeth von Thüringen eine ungarische Königstochter war. Die Heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, wurde wie Mechthild vor 800 Jahren 1207 geboren.
Sie kam schon als Sechsjährige auf die Wartburg, wurde 13-Jährig mit dem Landgrafen Ludwig verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder. Bereits 1227 aber erlag der Landgraf Ludwig während eines Kreuzzuges im italienischen Otranto dem Fieber. Elisabeths christliches Armutsgelübde, das sie alle Landgräflichen Reichtümer verschenken ließ widerstrebte der Schwiegermutter, die sie auf immer von der Wartburg verbannte.
Ihre Kinder wurden der jungen Mutter aus dynastischen Gründen entzogen, und sie selbst gründete ein Armenhospital in Wehrda bei Marburg, wo sie schon mit 24 Jahren starb.

Elisabeth- Clausura

Gedenkend rein der Stunden,
da ich Geliebter, ach,
in Wonne dir verbunden
des Lebens Rosen brach.

Leg deine Hand,
auf meiner Kinder Haupt!
Die süßen Kinder, die man mir geraubt,
o mache Du, sie ihres Vaters wert!

Wie Silberschwäne entführen Wolken
mich im Frühlingswind
und zeigen mir der Eltern Tränen,
die Träne um ihr fernes Kind.

O, Herr, lass deinen Segen tauen
auf meines Vaterlandes Auen!

Zum 800. Geburtstag der Heiligen Elisabeth hat der Magdeburger Komponist Reinhard Seehafer dieses Gedicht neu vertont.

Reinhard Seehafer: Elisabeth – Clausura (5’)

Noch älter ist die Legende, die Liszt in seiner symphonischen Dichtung „Orpheus“ besingt. Die Geschichte vom Sohn der Muse Kalliope, der Mensch, Tier und Götterwelt mit seinem Gesang bezauberte, und der seine Geliebte, die Flussnymphe Euridike durch einen tödlichen Schlangenbiss verliert, hat zahlreiche Musiker inspiriert., auch z. B. Reinhard Keiser aus Teuchern bei Weißenfels, dessen Orpheus-Oper vor 300 Jahren in Hamburg entstand.
Am bekanntesten aber ist wohl die Oper von Christoph Willibald Gluck.
Undine Dreißig wird für Sie wie Orpheus singen

Gluck: „Ach, ich habe sie verloren“ (5’)

 

Süßes wurde in Sachsen-Anhalt reichlich erfunden. Z.B. der Baumkuchen. Die Salzwedler streiten sich freilich mit den Berlinern um das Ursprungsrecht dieser Leckerei. Dabei war es eine Erfindung aus dem Mangel, der Armut und der Sparsamkeit geboren. 1807 wurde der erste Salzwedler Baumkuchen hergestellt und patentiert. Ursprünglich aber soll das Verfahren entstanden sein, damit alle Teigreste langsam verarbeitet werden konnten und nicht verdarben. Dann aber wurde er der König der Kuchen und wird bis heute nach dem ursprünglichen Handarbeitsverfahren hergestellt.
Um den Rübenzucker kann es keinen Streit geben. Den hat der Berliner Chemiker Franz Carl Archard erstmalig in Schlesien hergestellt. Dass jedoch aus Ritter Runkels Rübenfeldern industriell zu bearbeitende Zuckerrübenflächen werden konnten, bedurfte es der Erfindung des Wanzlebener Pfluges und schließlich der Produktion von Zuckerfabriken. Für beides wurde Magdeburg und die Magdeburger Börde der Inbegriff. Hier wurden die besten Zuckerrüben gezüchtet und die besten Verarbeitungsmaschinen gebaut.
Es steckt ein wenig Ironie in der Geschichte von Dr. Constantin Fahlberg, der nach seinem Studium auf dem Polytechnikum in Moskau weltweit Zuckeranalysen durchführte zum Zweck der Optimierung der Zuckerproduktion.
Dabei entdeckte er 1878 den ersten künstlichen Süßstoff. Gemeinsam mit seinem Onkel, dem Techniker Adolph List meldete er den Saccharin genannten Stoff und das entsprechende Herstellungsverfahren zum Patent an und errichtete in Salbke bei Magdeburg eine Saccharinfabrik.
Damit aber trat er den Zuckerbaronen und Rübenbauern der Börde so sehr auf die Füße. Sie erfanden den Lobbyismus in Deutschland und erwirkten, dass der Kaiser das Konkurrenzprodukt kurzerhand verbot.
Erst im Kriegshungerjahr 1916 wurde die Saccharinproduktion wieder gestattet.
Mozart war ja auch Erfinder - oder zumindest Namensgeber – einer legendären Süßigkeit. Hören sie was er sonst noch Süßes kannte.

Mozart: Die Warnung (3’)

"Ei, wie schmeckt der Kaffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein…“
So trällert auch das Lieschen in Bachs Kaffee-Kantate seit 1734. Und von Johann Sebastian Bach soll auch unsere letzte Musik sein. Sie stammt bereits aus den Jahren zwischen 1717 und 1724, aus Bachs Köthener Zeit, die im Übrigen wohl seine süßeste, seine glücklichste Zeit war. Es mag ihn auch wenig gegrämt haben, dass er für seine sechs Konzerte, die er dem Markgraf von Brandenburg, Christian Ludwig gewidmet und geschickt hatte – auf dessen Bestellung – niemals auch nur eine Antwort geschweige denn einen Taler an Honorar gesehen hat.
Das Rossiniquartett und Gäste verabschieden sich mit dem zweiten Brandenburgischen Konzert und damit einer der genialsten Erfindungen auf dem Gebiete der Musik.

Johann Sebastian Bach: Brandenburgisches Konzert Nr.2 F-Dur BWV 1048 (11’)

 

Zurück Weiter