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MAGDEBURGER ORATORIUM
 

KLAUS-DIETER KOPF: "MAGDEBURGER ORATORIUM"
Text: Klaus Wolf
Satzfolge: dreiteilig
Besetzung: 6 Solisten (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass, Sprecher),
gemischter Chor (mit Kinderchor),
Orchester: 4 Flöten (auch Pikkolo- und Altflöte), 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten (B), Baßklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott; 4 Hörner (F), 3 Trompeten (C). 3 Posaunen (auch Altposaune), Tuba; Pauken, Schlagwerk (3 Spieler: Kleine Trommel, große Trommel, Landsknechtstrommel, 4 Tomtoms, 4 Banjos, 4 Tempelblöcke, Hi-Hat, 3 Becken. Tam-tam. Cowbell, Peitsche, Triangel, Sirene, Glockenspiel, Röhrenglocken, Xylophon, Marimbaphon, Tamburin und Maracas); Harfe; Streicher
Aufführungsdauer: 80 Minuten
Uraufführung: :30. April 1977 im Magdeburger Theater „Maxim Gorki“
mit dem Chor und Orchester der Bühnen der Stadt Magdeburg, verstärkt durch Chöre der Magdeburger Singakademie und der POS "Juri Gagarin",
Solisten: Renate Bromann (Sopran), Eva-Maria Roth (Mezzosopran), Marika Straube (Alt). Max Ruda (Tenor). Knud Weigmann (Tenor), Heinz Hirsch (Baß), Bernhard Burda (Sprecher): Einstudierung der Chöre: Hellmut Alig,
Gesamtleitung: Roland Wambeck


 

Auf Worte des Schriftstellers Klaus Wolf hat der Komponist Klaus-Dieter Kopf ein „Magdeburger Oratorium" geschrieben, das die wechselvolle Geschichte der Elbestadt in musikalischen Bildern darzustellen sucht. Als Vorbemerkung schreiben die Autoren im Programmheft der Uraufführung: "Dieses Oratorium entstand mit der Vorstellung eines Spielortes. Als Szene stelle man sich einen Platz im Neubauviertel vor. Hier sind die Bewohner zusammengekommen. Alte und Junge und Kinder, um Bäume zu pflanzen. Dabei erzählen und singen sie von der Geschichte ihrer Stadt, die in zwei Kriegen zerstört, zweimal neu erbaut wurde."
Das Werk ist in drei Teile von etwa gleicher Länge gegliedert. Der erste Teil beginnt mit einem tänzerischen Lied, das uns sogleich in die heutige Wirklichkeit versetzt: „Häuser bauen, Tor und Tür - Bäume pflanzen. Grünspalier.“ Eine Elegie führt zu einem breit angelegten Tongemälde von der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg: eindrucksvoll wird hier immer wieder der Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ notengetreu und verfremdet, von anderen Texten und Stimmen überlagert, zitiert. Sehr wirkungsvoll alternieren Sprecher. Solo- und Chorpassagen. Nach der „Letzten Nachricht" wird der erste Baum gesetzt, von einem Lehrer: "Für seiner Schüler unverdorbnen Traum setzt er uns diesen Baum!" Den Abschluß dieses Teils bildet die „Ballade vom Bürgermeister Otto von Guericke“, die nach den elegischen Tönen eine humorvoll-deftige Abwechslung bringt.
Der Mittelteil des Oratoriums ist außerordentlich lebendig und volkstümlich angelegt; über drei Jahrhunderte hinweg wird das Treiben auf dem Alten Markt geschildert, wobei kräftige Adaptationen von mundartlichen Ausdrücken und Volksliedern aus Magdeburg und Umgebung eine bestimmende Rolle spielen, bis die Zeit des ersten Weltkrieges, die Inflation und die Hitler-Jahre sich in kritischen, anklägerischen und tragischen Akzenten widerspiegeln. Eine alte Frau setzt am Schluß dieses Teils den zweiten Baum: „Für sie zu spät, für ihrer Enkel Traum setzt sie uns diesen Baum.“
Der dritte Teil schildert auf sehr eindringliche, meist recht gedämpfte Weise die Zerstörung der Stadt im zweiten Weltkrieg. Erschütternd etwa die „Ballade über das Feuer“, während anderes in schlichtem Bericht abgehandelt wird. Und um so heller klingt dann das „Erste Lied im Frieden“: der dritte und der vierte Baum werden von einer jungen Frau und einem Arbeiter gesetzt. Die Schlußode, wirkungsvoll gebaut und mit einem leisen Nachklang endend, führt den schönen schlichten Gedanken weiter: „Wachse, Baum, wachse und werde zum Wald, Kinder und Liebende zu bekränzen!“
‎Das Werk erscheint als Ganzes und in fast allen Teilen gelungen. Was die Musik betrifft, so kann man sich an ihr· nur ehrlich freuen. Ohne irgendwo antiquiert zu wirken und neueste Techniken vermissen zu lassen, geht sie zu Herzen, erfreut Kenner wie ein breites Publikum, mischt sehr geplant konstruktive Strecken mit derben Tönen und Rhythmen, macht die eindringlichen Worte zu einem lang nachhaltigen Erlebnis.

Walther Siegmund-Schultze
"Musik und Gesellschaft" 1978



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