Das Kulturportal kukma.net besuchte den "Kulturscheune Olvenstedt" e.V. - Magdeburg-Olvenstedt, Stephan-Schütze-Straße 1


I - Geist der Zeit

 

Als Orpheus Lieder erklangen,

Und selber vor Fröhlichkeit

Die Wälder und Hügel sprangen,

Da war noch köstlich Zeit.

 

Zweitausend Jahre vergingen,

Und wieder auf Erden erklang

Von hohen und göttlichen Dingen

Ein himmlischer, froher Gesang.

 

Doch kaum hat der Mensch es vernommen,

Da sprach er, als thät’ es ihm Roth:

Dein Lieblein – soll es uns frommen.

So sing uns die Steine zu Brod.

 

Und weil es nicht hat ersungen

Des Sängers göttlicher Mund.

So spotten die lästernden Zungen

Noch seiner bis diese Stund’.

 

Hat Schafft er nicht größere Wunder,

Haucht Leben in Felsen und Stein?

Doch ihr, in dem Trödel und Plunder,

Wollt leben von Brod allein.

II - Streitfrage der Liebe

 

Das Abendrot da fern,

Der helle Stern darüber,

Sag, Kind, was hast du lieber? –

Ich hab’ sie beide gern;

Weil beide mir mit holder Pracht

Verkünden, ob die Sonne lacht.

 

Des roten Mundes Scherz,

Der Augen Glanz darüber,

Sag, Kind, was hast du lieber? –

Aus beiden lacht das Herz,

Doch sagt der Mund so mancherlei,

Das Aug’ allein ist immer treu.

 

So gibt das Auge mehr?

Was küssest du denn lieber

Den Mund? Was geht nun drüber? –

Ach, beide lieb ich sehr!

Durch Worte wird das Auge kund,

Dem Auge dank ich durch den Mund.

 

Doch fehlt’ ich in der Pflicht,

Und sollt ich eins nun missen,

So will ich beide küssen,

Und streiten länger nicht,

Im Auge seh’ ich Seel’ und Geist,

Am Mund, was Leib und Leben heißt.

I        Geist der Zeit

Als Quelle dieses Textes wird das Montagsblatt Nr.27 aus dem Jahre

1937 angegeben.

 

II       Streitfrage der Liebe

Quelle

Montagsblatt Nr.31 aus dem Jahr 1925

 

 

 


III - Für Nichtreisende

 

Da klimmt er fort, den steilsten Berg hinan,

Das er die Gegend ganz genieße,

Und endlich hingestreckt – was fühlt der Wandersmann?

Die Gegend – Glaub’ es nicht, die Müdigkeit der Füße! –

Wie bist Du doch um Vieles besser dran!

Du tust nicht einen Schritt, Du lässt es Dir beschreiben,

Kannst ganz bequem im Sessel bleiben,

Und siehst, was er gesehen, im Reiz des schönsten Lichts;

Von müden Beinen fühlst du nichts!

 

IV - Die Dorfruinen

 

Du gehst hinaus und siehst die Saat des Landmanns grünen,

Und schaust im Aehrenfeld den Reichtum der Natur,

So komm und sieh nun auch in Schutt und in Ruin

Die Sorge eines Jahrs, den Segen einer Flur.

 

Daß reichlich ihm die Saat zur Ernte Früchte trüge,

dies war sein Wunsch; ihm ward, was hoffend er begehrt,

Daß ihm die Halmen nicht ein Hagelschlag zerschlüge,

Das war sein Flehn; es ward sein Bitten ihm gewährt.

 

Rührt dich, o Städter, schon so manche Trauerscene

Durch Künstler dargestellt, zum sanften Mitgefühl,

So komm denn auch und sieh! Und weine eine Thräne,

Durch wahre Noth gerührt, dem großen Trauerspiel.

 

So hilf und laß nicht den Armen trostlos bitten,

Im nahen Dorfe währt sein Obdach kurze Zeit,

Der Winter bricht herein, es geben Bretterhütten,

Auf Trümmer schnell erbaut, nur bange Sicherheit.

 

Umsonst hat dich noch nie ein Leidender gebeten,

Beim Becherklange dringt sein leiser Seufzer durch;

Berühmt im Wohltun ist ja unter vielen Städten

Schon längst, o Menschenfreund, durch dich dein Magdeburg.

III      Für Nichtreisende

Aus dem Taschenbuch der Liebe und Freundschaft für das Jahr 1832 von

Dr. Stephan Schütze

 

Schütze selbst gehörte wohl nicht zu jenen, die „ganz bequem im Sessel bleiben“.

So ist bei J. P. Eckermanns Gesprächen mit Goethe unter dem 24.09.1827 zu lesen:

“ Unser Freund Schütze“, sagte Goethe

„hat nicht unrecht, wenn er jede Woche eine Ausflucht aufs Land macht; wir wollen ihn uns zum Muster nehmen, und wenn das Wetter sich nur einigermaßen hält, so soll dies auch unsere letzte Partie nicht gewesen sein.“

 

IV       Die Dorfruinen

Das Gedicht aus dem September 1796

trägt den Untertitel: "Ein Gedicht, welches für das eingeäscherte Dorf Snarsleben

um Hülfe fleht (wird zum Besten der Abgebrannten verkauft für 4 Groschen)

Magdeburg 1796" (Schnarsleben, heute Teil von Niederndodeleben bei Magdeburg)

 


V - Loblied

 

Wer ist es, der uns unsre Welt

Hoch über Berg und Meere

Den blauen Himmel trägt und hält

Mit seinem Sternenheer?

Wo wanderst Du, verborgener Geist,

Daß Dich mein Herz verehre.

 

Von Dir erzählt der sanfte Quell

Wenn rings die Haine schweigen,

von Dir verkündet laut und hell

Gesang aus allen Zweigen.

Gesang aus hoher Luft

Und Stimme selbst aus tiefer Kluft

Die Deinen Ruhm bezeugen.

 

Die Wolken, die mit schwarzer Nacht

Sich hoch am Himmel türmen;

Des fernen Herold dieser Nacht,

der Donner mit den Stürmen

ruft laut herab auf Stadt und Land

Gott trägt die Welt auf seiner Hand

Kann Strafen und beschenken.

 

VI - Getäuschte -

Lied der Wehmut

 

So bin ich denn getäuscht, betrogen,

Zerronnen ist der Morgentraum,

Ich schwebte hoch auf stolzen Wogen

Und haschte nach dem Purpursaum

Der himmellichten Prunkgestalt!

 

Ein Nebel war’s, ein Spiel der Winde,

Ein Nachtgewölkt verrauchter Schlünde,

Ein Eisgebilde, rau und kalt.

 

Schöner Sonnenniedergang,

Dem ein jauchzender Empfang,

Dort ertönt, nimm unsern Dank,

Schöner Sonnenniedergang

 

Bis Nacht dein Haupt umzieht

Breite deine Rosenflügel

Gegend über diesen Hügel,

Wo dein Ruhm auf ewig blüht.

 

Wehmut weht durch Ulmengänge,

Trauer wandelt durch die Flur,

Und statt Ruhm und Dankgesänge

Tönt das Lied der Klage nur.

 

Birg im dunklen Eichenhain

Deiner Tränen Schmerzgefühl

Da, verlaß’ne Ruh, weine

In dein zitternd Saitenspiel

 

Steig herab aus deiner Linde

Abendhauch, verkünde du

Ihm des Dankes Lied

Verkünde Segen ihm und Siegesruh.

Strom der unser Tal erfrischt,

Eil’ herab zur Abendhelle;

Sag’, dass hier mit leiser Welle

Eine Träne sich vermischt.

V        Loblied

Auswahl aus einem Gedicht das im Original aus 9 Strophen besteht, handschriftlich bewahrt von E. Rungwerth

 

VI       Getäuschte – Lied der Wehmut

Bei diesem Teil des Liederzyklus handelt es sich um zwei Gedichte Johann Stephan  Schützes „Getäuschte“ ist ein Auszug der „Lebensgeschichte“ 2.Teil von Schütze.

„Da mich Köpken sofort zu Beiträgen für einen Musenalmanach aufforderte, ging ich an Gedichte von freier Erfindung, worin sich ein Mädchen über die Untreue ihres geliebten beklagt. Es führt eine sehr bilderreiche Sprache, wie schon der Anfang verräth“ So bin ich denn getäuscht …

Das Lied der Wehmut trägt den Untertitel: Bergen klagt seinem innigst gebliebenen Gurlitt weinend nach.

 


VII - Wiegenlied

 

Schlaf in guter Ruh,

tu dein Äuglein zu!

Höre, wie der Regen fällt,

hör’, wie Nachbars Hündchen bellt!

Hündchen hat den Mann gebissen,

Hat des Bettlers Kleid zerrissen,

Bettler läuft der Pforte zu,

Schlaf in guter Ruh’.

 

Still, mein süßes Kind

Hu, wie weht der Wind,

Häschen, Häschen spitzt das Ohr,

Sieht aus langem Gras hervor.

Jäger kommt in grünem Kleide,

jagt das Häslein von der Weide,

Still mein süßes Kindelein.

 

Schlaf die Wänglein rot,

hast noch keine Not,

Täubchen fliegt durch Feld und Flur,

fliegt und sucht ein Körnchen nur.

Ach, die Kleinen, still und bange,

sprechen: Mutter bleibt so lange!

Mutter bleibt bis Abendbrot! –

Schlaf hast keine Not!

        

Kannst nun ruhig sein,

Bettler kehrt schon ein.

Häschen liegt im Stacheldorn,

Hühnchen legt das Ei ins Korn,

Täubchen füttert seine Jungen

Vöglein hat nun ausgesungen!

Still ist alles, groß und klein!

Schlaf’ nun ruhig ein!

 

VII      Wiegenlied

Originaltext aus „Gedichten ernsten und heiteren Inhalts“ von Stephan Schütze, Berlin 1890. Aus dem 19.Jahrhundert liegt die Vertonung von W.Taubert vor.

VIII - Die Musenhauptstadt

 

Selbst wollt ich sehn, die Feder preist,

Nur eig’nen Augen trauen, -

Die Residenz für Witz und Geist,

Die uns der Musen Hauptstadt heißt,

 

Wie ward mir, sie zu schauen!

In schönen Häusern hat sich da

Die Baukunst frei ergangen;

In Bildwerk, Stein und Eisen sah

Ich dort, was Großes einst geschah,

Hochher auf Plätzen prangen.

 

Und jetzt – vor einem Prunkpalast

Stellt mich – kein eitler Prahler –

Mein Führer stolz und lehrt den Gast:

Dies Haus, ein Kunstwerk selber fast,

Für Künstler ist’s und Mahler.

 

Von Kirchen macht er kein Geschrei;

Durch Straßen, immer länger,

Trieb er mich fort – da hob sich neu

Ein and’res Werk: dies Prachtgebäu

Ist für Musik und Sänger.

 

So noch viele Wunder zeigt’ er mir,

Zum Nutzen bald und bald zur Zier,

Und rühmte: keine Kunst, die hier

Nicht ihren Tempel hätte!

 

Auch Säle, wie zum Künstlerschmaus

Alljährlich sei vonnöten –

O wunderherrlich! rief ich aus,

Doch – Freund, wo bleibt das Pflegehaus,

Die Stiftung für Poeten?

 

Da zog er still mit O und Ach

Durch Wagen, viel Getümmel,

Zu einem Platz mich ängstlich nach

Und – über eines Hauses Dach

Wies seine Hand gen Himmel.

Erst dacht ich, das Theater sey

Gemeint in grauer Ferne,

Allein der Finger, hoch und frei,

Ging einen ganzen Zoll vorbei

Und – gradaus in die Sterne.

 

Ja, hört, so ist es dort bestellt:

Die Stadt, der Welt gepriesen,

Nährt, was an Aug’ und Ohr sich hält,

Doch wer auf’s Dichten hier verfällt,

Ist – an die Luft verwiesen.

 

Dem Flieder hat das Glück gelacht,

Der Pinsel ist geborgen,

Doch an Poeten hat die Pracht

Der Musenhauptstadt nicht gedacht!

Und Gott muß für sie sorgen.

 

VIII     Musenhauptstadt

Quelle:

Taschenbuch der Liebe und Freundschaft

für das Jahr 1832

von Dr. Stephan Schütze

 

„… Und überall, was ist es und was soll es? – Gott hat sich nach den bekannten imaginierten sechs Schöpfungstagen keineswegs zur Ruhe begeben, vielmehr ist er noch fortwährend wirksam, wie am ersten. Diese plumpe Welt aus einfachen Elementen zusammenzusetzen und sie jahraus jahrein in den Strahlen der Sonne rollen zu lassen, hätte ihm sicher wenig Spaß gemacht, wenn er nicht den Plan gehabt hätte, sich auf dieser materiellen Unterlage eine Pflanzschule für eine Welt von Geistern zu gründen.

So ist er nun fortwährend in höheren Naturen wirksam, um die geringeren heranzuziehen. …“

 

Johann Wolfgang von Goethe 1832


anlässlich der Uraufführung des Liederzyklus "Musenhauptstadt" von Reinhard Seehafer nach Texten von J. Stephan Schütze