Der Magdeburger Roland - Magdeburger Volksstimme vom 5. Februar 2005

Der neue Roland ist nachts ein echter optischer Problemfall
Potenter Hannibal Lecter
Von Katja Tessnow

Magdeburgs neuer Roland nach historischem Abbild ist erst einen guten Monat alt, aber trotzdem ein ganz gewaltiger Viermetersechzig-Geselle. Gestritten wurde über ihn oder besser über sein Antlitz schon jahrelang vor seiner " Geburt ". Nun steht er da, vor dem Rathaus, und mancher legt bei seinem Anblick schon bei Tageslicht die Stirn in Falten. Des Nachts aber, da kann man wirklich nur wegrennen vor Roland. Licht und Schatten machen ihn zum wahrlich schrecklichen Burschen. Es gibt Kritik, sogar im Stadtrat.

Altstadt. Der liberalen Stadträtin Sabine Paqué kommt vorm Roland bei Nacht offenbar eine Menge von ihrer liberalen Toleranz abhanden. Jedenfalls stellt sie eine offizielle Anfrage an den Oberbürgermeister und fordert darin eine "optisch und ästhetisch günstigere Ausleuchtung".
Gespräche zeigten ihr, dass sie nicht alleine dastehe mit ihren Problemen vor der "ungleichmäßig" belichteten Plastik.

Ungleichmäßig " ist noch vornehm ausgedrückt. Brutaler könnte man den nächtlich wie einen Brutalo wirkenden Sandstein- Mann auch einen potenten Hannibal Lecter nennen. Hannibal kennen Sie doch, den Kannibalen aus dem "Schweigen der Lämmer " - Schocker ? Anthony Hopkins hatte da so eine Maske überm Gesicht : unten dunkles Leder, oben Licht. Unser Roland kriegt den schrecklichen Effekt ganz ohne Maske hin – nur mit Licht. Er soll ja schon für städtisches Selbstbewusstsein stehen. Aber so schrecklich war das wieder nicht gemeint ! Schon gar nicht untenrum ! Die Licht- " Orgel " (Bodenstrahler) orgelt dem Roland die volle Dröhnung zwischen die Beine und zentral aufs – nun ja – stattliche Gemächt, wenigstens verhüllt. Da haben die Beleuchter schon wieder was falsch verstanden. Das mit der städtischen Potenz, das ist doch bloß ein Sinnbild ! Da hätte man doch einfach mal in der Geburtenstatistik nach- ...

lesen können. Unser Roland ist eben auch nur ein Magdeburger Kerl, wenn auch (ge) mächtig.

Was nun ?
Schließlich : Dieser Roland ist ein für 85 000 Spendeneuro "geschenkter Gaul". Roland-Aktivist und Roland-Freundeskreis- Mitstreiter Werner Kaleschky (Baubeigeordneter) weiß um die Zuständigkeiten : "Wir haben ihn am 23. Dezember 2005 dem OB geschenkt." Aha. Kaleschky, OB-untergeben, will sich um die kritisierte Lichtangelegenheit trotzdem selbst kümmern : "Wir wollen von 70 auf 25 Watt reduzieren und die Milchglasscheiben vor den Strahlern durch Weichzeichnerglas ersetzen." Dann könne man auch noch etwas an den auf Achsen beweglich gelagerten Strahlern drehen, und wenn alles nicht helfe, "dann bauen wir noch einen Strahler an einen der Masten, von denen aus das Rathaus beleuchtet wird – für das Gesicht." Das Material für den Anti-Hannibal-Effekt ist bestellt. Kurz: Die Roland-Gemeinde ist zur Verweichlichung ihres Helden bereit. Nur dazu nicht : "Wir schalten nicht ab !", konstatiert Kaleschky und meint das Licht. Wegen der bösen, schmierenden Buben.

Okay, ein Harlekin vorm Rathaus muss so wenig wie ein Hannibal sein. Ein einfacher neuer Alt-Roland reicht. Dicke.
 

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